Arbeitswelt & Karriere

Generation Lock­down und Kar­ri­e­re­chan­cen

Ausbildungen mussten unterbrochen werden. Praktikumsstellen wurden gestrichen. Abschlussfeiern wurden abgesagt. Jobangebote wurden zurückgezogen oder Eintrittstermine verschoben. Berufseinsteiger verloren ihre Jobs.

Viele junge Menschen, die kurz vor dem Eintritt ins Berufsleben stehen, wurden durch die COVID-19-Krise solch einschneidender Erlebnisse ihres Lebens beraubt. Ihr kompletter Lebensrhythmus wurde durcheinandergebracht und ihre Karrieren auf Eis gelegt – zumindest vorerst.

Viele Experten vertreten die Ansicht, dass sich diese Krise auf eine ganze Generation auswirken wird, aber meiner Meinung nach bedeutet das nicht, dass ihre künftigen Erfolgschancen deshalb schlechter ausfallen müssen. Als Firmenchefs können wir uns nicht einfach zurücklehnen und tatenlos zusehen, wie diese Generation mit den massiven Veränderungen zurechtkommt, ohne unser Möglichstes zu tun, um sie zu unterstützen. Ich erachte es sogar als unsere Pflicht zu helfen.

Das Berufsleben junger Menschen ist am stärksten von der Pandemie betroffen

Der allererste Job ist etwas ganz Besonderes. Ich erinnere mich an meinen, als wäre es gestern gewesen. Diese Erfahrung bestimmt den weiteren Karriereweg. Sie prägt die eigene Wahrnehmung der Arbeitswelt und welche Rolle man in ihr spielt. Diese Phase im Leben wird uns immer in Erinnerung bleiben. Ich bin mir sicher, dass auch Sie sich noch genau an Ihre ersten Karriereschritte erinnern, denn sie waren ausschlaggebend für Ihre weitere berufliche Entwicklung.

Diese prägenden Jahre haben auch einen großen Einfluss darauf, wie man finanziell künftig aufgestellt ist, erklärt die Soziologin Lindsay Owens: „Der erste Job bereitet Sie auf den zweiten Job vor, der wiederum ebnet, den Weg für den dritten. Wo ihre Laufbahn beginnt, ist also nicht gerade unwichtig.“

Doch leider blieb diese Erfahrung Millionen junger Menschen auf der ganzen Welt aufgrund der Pandemie verwehrt oder wurde dadurch zumindest erschwert. Berufseinsteiger unter 25 sind laut Berichten am stärksten betroffen; sie haben ihre Jobs größtenteils komplett verloren, wurden beurlaubt oder mussten Kurzarbeitergeld beantragen. In anderen Fällen wurden Jobangebote zunächst auf Eis gelegt oder sogar komplett zurückgezogen.

Die Jugendarbeitslosigkeit war bereits vor der Pandemie auf einem besorgniserregenden Niveau: Ende 2019 gab es mehr junge Arbeitslose als während der Finanzkrise im Jahr 2008. Doch alle Anzeichen deuten nun darauf hin, dass sich dieser beunruhigende Trend noch beschleunigt. Denn wie wir aus der Vergangenheit wissen, bürden Naturkatastrophen und Gesundheitsnotstände immer denjenigen noch mehr auf, die sowieso schon zu kämpfen haben. In diesem Zusammenhang gibt es bisher folgende Erkenntnisse:

  • Im Rahmen der aktuellen Deloitte Millennial Survey berichteten 30 Prozent der Generation-Z-Vertreter und mehr als ein Viertel der jüngeren Millennials (im Alter von 25 bis 30 Jahren), dass sie ihre Jobs verloren haben, beurlaubt wurden oder vorübergehend Kurzarbeitergeld beantragen mussten. Ende April/Anfang Mai war weltweit jeder fünfte Millennial arbeitslos.
  • Der Nachrichtensender Sky News meldete, dass bei zwei Dritteln der Absolventen, die sich auf Stellen beworben haben, Bewerbungen zurückgestellt oder erst gar nicht berücksichtigt wurden.
  • Laut Guy Ryder, Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), bezweifeln 10 Prozent der jungen Menschen, dass sie ihre Ausbildung überhaupt abschließen können, und die Hälfte glaubt, dass sich der Abschluss ihrer Ausbildung erheblich verzögern wird. Er führt außerdem an, dass diese Entwicklung zu einer Lücke bei der Bereitstellung von Nachwuchskräften führen und schwerwiegende langfristige Folgen haben werde.

Es ist in der Tat leider so, dass diese Generation, die von vielen als „Generation Lockdown“ oder „verlorene Generation“ bezeichnet wird, die Pandemie extrem stark zu spüren bekommt. Im Prinzip wird ihre berufliche Planung, ihr ganzen Leben, auf den Kopf gestellt. Warum das so ist, ist leicht zu erklären. Sie gehören eher zur Gig Economy und arbeiten vor allem in Branchen, denen die Krise am meisten zugesetzt hat (Gastronomie und Einzelhandel zum Beispiel). Sie sind außerdem einem höheren Risiko ausgesetzt, aufgrund von Automatisierungslösungen ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Es ist besorgniserregend, dass sie durch die Auswirkungen der Pandemie für viele Jahre ins Hintertreffen geraten könnten. Die Financial Times berichtete kürzlich von einer Studie des Institute of Fiscal Studies, die ergab, dass diejenigen, die während einer Rezession ihren Abschluss gemacht haben, nach fünf Jahren weniger Geld verdienten als andere Abschlussjahre.

Einem CBS-Bericht zufolge hatten Millennials, die von der Großen Rezession betroffen waren, noch Jahre danach mit den Folgen der Krise zu kämpfen; in einigen Fällen dauerte es sogar ein ganzes Jahrzehnt, bis sie das Gehaltslevel erreichten, das sie verdient hätten, wenn sie ihren Abschluss in wirtschaftlich stabileren Zeiten gemacht hätten.

Apropos Millennials: Insbesondere diejenigen, die zu Zeiten der weltweiten Finanzkrise 2008 vor dem Eintritt ins Arbeitsleben standen, haben schwer zu kämpfen. Untersuchungen zeigen, dass sie sich erst jetzt gerade wieder erholen – und das nach über zehn Jahren. Und nun sehen sie sich mit der nächsten Rezession konfrontiert.

Aus ihrer Sicht ist der Verlauf ihres Berufslebens bisher mit einer Achterbahnfahrt zu vergleichen. Die Washington Post geht sogar so weit und spricht von der „unglücklichsten Generation in der Geschichte der USA“.

Es wäre also falsch anzunehmen, dass nur diejenigen betroffen sind, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Die Folgen sind viel weitreichender. Wenn wir jetzt nicht alle gemeinsam etwas unternehmen, werden ganze Generation Narben davontragen, die vielleicht nie vollständig heilen werden.

Im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit sollten Arbeitgeber eine größere Rolle spielen

Die Generation der Millennials hat eine starke, laute Stimme. Sie protestieren. Sie gehen wählen. Sie haben eine Meinung. Ihnen liegt viel an unserer Welt. Sie setzen sich leidenschaftlich für unsere Welt ein. Sie sind mutig, haben tolle Ideen. Sie sind die Zukunft.

Junge Leute sind absolut in der Lage, sich selbst aus dieser Situation herauszuhelfen, aber allein werden sie das nicht schaffen. Sie brauchen uns, um gehört zu werden. Sie brauchen unsere Hilfe und Unterstützung.

Es ist zwar ermutigend zu sehen, dass viele Regierungen auf der ganzen Welt einschreiten, um die Karrieren der jungen Leute zu schützen, sei es durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, Beihilfen oder Schulungs- und Ausbildungsprogramme sowie Förderprogramme und Boni im Zusammenhang mit der Erhaltung von Arbeitsplätzen; doch Arbeitgebern kommt ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung der „Generation Lockdown“ zu.

Was können wir als Führungskräfte also tun? Natürlich sollten Unternehmen, soweit finanziell vertretbar, mit der Einstellung von Absolventen und Praktikanten fortfahren, auch wenn die dazugehörigen Prozesse remote durchgeführt werden müssen. Dass Arbeitgeber wie PwC zu 100 Prozent davon ausgehen, dass Absolventenprogramme fortgeführt werden, sind gute Aussicht. Andere, Deloitte zum Beispiel, gaben an, dass sich Starttermine verzögern werden. Natürlich ist es in diesem Zusammenhang für Arbeitgeber wichtig, dass sie die jungen Talente fit für die Remote-Arbeit machen.

Diese Generation gilt zwar als versiert in der digitalen Welt, dennoch haben laut Untersuchungen etwa 45 Prozent der Generation Z und angestellte Millennials vor der Pandemie noch nie von zu Hause aus gearbeitet. Daher benötigen sie unbedingt Unterstützung, um schnell erfolgreich arbeiten zu können. Und denken Sie dabei daran, Ihren herkömmlichen Onboarding-Prozess auf einen Neueinsteiger, der bisher kaum Erfahrungen in der Arbeitswelt gesammelt hat, anzupassen.

Als Arbeitgeber muss man sich auch bei Einstellungsprozessen immer eine gewisse Offenheit bewahren. Wir müssen davon wegkommen, an strengen Voraussetzungen festzuhalten und Listen abzuhaken. Es sollte keine Rolle spielen, welche Universität ein Kandidat besucht hat, oder ob er überhaupt studiert hat.

Es geht darum, wer am besten für die Stelle geeignet ist, wer Potenzial hat. Konzentrieren Sie sich nicht nur auf Hochschulabsolventen, sondern seien Sie ganz unvoreingenommen und geben Sie auch denjenigen eine Chance, die eine relevante Aus- oder Weiterbildung absolviert haben.

Laut OECD habe sich gezeigt, dass ein qualitativ hochwertiges Ausbildungsprogramm einen reibungslosen Übergang in den Arbeitsmarkt und lohnenswerte Karrierewege ermögliche – auch in Krisenzeiten. Darüber hinaus sollten Sie beim Sichten der Noten im Hinterkopf haben, dass die Prüfungsphase durch den Lockdown unterbrochen wurde. Die Endnoten in den Lebensläufen sind daher vermutlich eher ein geschätztes Ergebnis der Lehrer und können somit kein umfassendes Bild vermitteln.

Was jedoch helfen kann, sich ein genaueres Bild von einzelnen Kandidaten zu machen, ist die Frage, ob und wie sie die Zeit während der Einschränkungen sinnvoll genutzt haben. Manche haben sich vielleicht ehrenamtlich engagiert, andere haben gefährdete Familienmitglieder betreut oder sind zu Hause kreativ geworden. So erhalten Sie einen wertvollen Einblick in ihren Charakter und ihr Potenzial.

Und wie steht es nun um die jungen Leute, die bereits einige Jahre Berufserfahrung gesammelt haben? Hier ist es wichtig, bei der Durchsicht der Lebensläufe mehrere Jobwechsel nicht direkt als negativ einzuordnen. Wir werden schließlich immer älter, daher gehe ich davon aus, dass viele von uns vermutlich noch arbeiten werden, bis sie 70 oder sogar 80 sind.

Vor diesem Hintergrund ist es absolut nachvollziehbar, dass Menschen häufiger den Job oder auch den Arbeitgeber wechseln. Seien Sie also vorsichtig mit falschen Annahmen oder festgefahrenen Meinungen zur Relevanz einer langen Betriebszugehörigkeit, die auf der mittlerweile veralteten Vorstellung beruhen, sein Leben lang demselben Arbeitgeber treu zu sein.

Die Jugend für die Zukunft rüsten

„Es mag uns nicht immer gelingen, eine Zukunft für die Jugend zu erschaffen, doch wir können eine Jugend für die Zukunft schaffen.” Dieses Zitat von Franklin D. Roosevelt, das anlässlich der Feierlichkeiten zum World Youth Skills Day 2020 vorgetragen wurde, hat mich gerade in diesen turbulenten Zeiten auf besondere Weise berührt.

Natürlich war es schon immer so, dass Investitionen in die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter, ganz unabhängig von ihrer Generation, der Schlüssel für den zukünftigen Erfolg eines Unternehmens darstellen. Aber meiner Meinung nach muss man ganz am Anfang ansetzen und versuchen, die offensichtliche Lücke zwischen dem, was in Bildungseinrichtungen gelehrt wird und dem, was Unternehmen und Branchen tatsächlich in der realen Welt benötigen, zu schließen.

Es ist jetzt absolut unerlässlich, dass Arbeitgeber mit Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten, um praxisorientierte Ausbildungsprogramme zu ermöglichen – auch in Zeiten des Social Distancing. Zudem sollten Arbeitgeber in die Gestaltung der Lehrpläne eingebunden werden, damit sichergestellt wird, dass diese möglichst gut auf die Anforderungen der neuen Arbeitswelt abgestimmt sind.

Als Führungskräfte sind wir außerdem in der Pflicht, jungen Auszubildenden und Studenten praktische, ehrliche und nützliche Karrieretipps an die Hand zu geben, sei es über Mentorenprogramme, Industry Days oder unsere Social-Media-Kanäle. Dies ist aus mehreren Gründen vor allem jetzt äußerst wichtig: Die Pandemie hat das Bildungswesen vor eine Zerreißprobe gestellt; viele junge Menschen tendieren dazu, ihre Ausbildung zu verlängern, und gleichzeitig verändert sich die Arbeitswelt schneller als je zuvor.

Ich bin mir sicher, dass alle, die dies lesen, in irgendeiner Weise den oft gut gemeinten Berufsberatungsservice auf dem allgemeinen Bildungsweg zum Opfer gefallen sind. Natürlich haben diese Einrichtungen ihre Berechtigung, dennoch fehlt einfach ein Puzzleteil, nämlich die Stimme der Wirtschaft.

Tatsächlich stellte die OECD 2018 fest, dass die Karriereerwartungen junger Menschen tendenziell unrealistisch sind und auf mangelnden Informationen beruhen. Eine unruhige wirtschaftliche Lage werde die Diskrepanz zwischen der Nachfrage am Arbeitsmarkt und den Berufswünschen und Qualifikationen der jungen Leute wahrscheinlich noch vergrößern.

Als Führungskräfte sind wir mittendrin, jeden Tag; unsere Erfahrung kann also als wichtige Orientierung dienen, um sicherzustellen, dass jeder Schüler, Auszubildende oder Student umfassend über die gefragten Kompetenzen informiert ist und weiß, welche Möglichkeiten ihm in der Arbeitswelt offenstehen.

Unterstützung der Jugend als gesellschaftliche Verpflichtung

Wie Mark R. Kramer, Dozent an der Harvard Business School, in einem Artikel darlegt, betonten viele große Unternehmen, dass sie eine Reihe von Werten verfolgen und einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, oder auch in welchem Umfang sie sich um ihre Mitarbeiter und Stakeholder kümmern.

Seiner Meinung nach sei es jetzt an der Zeit, dieser Verpflichtung nachkommen. Untersuchungen zufolge schenken Mitarbeiter ihren Führungskräften nur dann Glauben, wenn Entscheidungen getroffen werden, bei denen die kurzfristige Rentabilität zugunsten der Unternehmenswerte in den Hintergrund rückt.

Bereits im Januar letzten Jahres habe ich deutlich gemacht, dass es immer unerlässlicher für Unternehmen wird, ihren Purpose, also ihren Sinn und Zweck innerhalb der Gesellschaft, zu definieren, klar auszusprechen und eben auch zu leben. Vielleicht bietet sich Unternehmensvorständen genau jetzt, wo Unternehmensbewertungen und Projekterwartungen durch die Pandemie komplett über den Haufen geworfen wurden, die perfekte Gelegenheit, das Richtige zu tun, und zwar die Renditen der Aktionäre neu zu bewerten und durch angemessene Investitionen dazu beizutragen, die Jugend von heute fit für morgen zu machen.

Genau in diese Richtung möchten wir bei Hays gehen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Chancen zu schaffen und das Leben vieler Menschen zu verbessern. Damit sind wir in einer perfekten Ausgangslage, um nachfolgende Generation zu unterstützen, sei es in Form von Karrieretipps oder über Weiterbildungen und Umschulungen. Zweifelsohne hat sich das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Wirtschaft verändert; die Coronakrise beschleunigt diese Entwicklung noch. Wie wird Ihr Unternehmen reagieren?

Die Generation Lockdown zeichnet sich durch Entschlossenheit aus; sie setzt große Hoffnungen in die Welt und ihren Beitrag darin. Dies wird auch in der Global Millennial Survey von Deloitte deutlich: „Ihnen ist klar, dass die Gesellschaft nach der Pandemie eine bessere sein kann als die vor der Krise. Sie besitzen genug Hartnäckigkeit, um dies auch Realität werden zu lassen.“

Natürlich fühlen sie sich, als ob ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wurde; das wird sie aber nicht davon abhalten, sich mit voller Entschlossenheit die Zukunft zu sichern, für die sie so hart gearbeitet haben. Aber im Moment sind sie in einer ungünstigen Lage. Der Arbeitsmarkt ist, gelinde gesagt, schwierig. Selbst erfahrene Profis müssen sich ihren Platz erkämpfen.

Daher appelliere ich an alle Firmenchefs: Die junge Generation braucht jetzt mehr denn je unsere Unterstützung. Natürlich stehen die Bedürfnisse Ihrer derzeitigen Mitarbeiter im Moment im Vordergrund, keine Frage. Aber wir dürfen unsere Jugend nicht aus dem Blick verlieren. Sie sind die Zukunft und daher müssen wir alles dafür tun, damit Ihnen künftig möglichst viele Türen offenstehen.

Alistair Cox

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