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16.04.18
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Arbeitswelt & Karriere

Besser entscheiden: mit Kopf und Bauch

Eine Waage, die auf der einen Waagschale ein Herz und auf der anderen IQ liegen hat. Sie ist ausgeglichen.
© fotolia (srg werbeagentur)
Wer stets nur mit dem Verstand entscheidet, wird auf Dauer nicht glücklich – genauso wenig wie jemand, der vollkommen unreflektiert stets nur auf sein Bauchgefühl hört. Um gute Entscheidungen zu treffen, müssen wir Verstand und Unbewusstes in Einklang bringen, sagt die Psychologin Dr. Maja Storch. Das lässt sich zum Glück trainieren.

Wenn Maja Storch erklärt, dass man seinen Wurm nicht würgen soll, ist ihr die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer stets sicher. Die promovierte Psychologin ist Mitbegründerin und wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Selbstmanagement und Motivation Zürich ISMZ, hervorgegangen aus der Universität Zürich. Außerdem ist sie Schöpferin des Strudelwurms „Würmli“. In Büchern, Seminaren und Vorlesungen dient die kleine bunte Wurmfigur als didaktische Metapher, wenn es darum geht, komplexe psychologische Prozesse bildhaft und leicht verständlich darzustellen.

Der urzeitliche Strudelwurm steht dabei für das unbewusste Bewertungssystem, über das nicht nur Menschen, sondern auch Tiere ganz ohne Worte verfügen. Der deutsche Biologe und Gehirnforscher Gerhard Roth spricht auch vom emotionalen Erfahrungsgedächtnis, das die gesammelte Lebenserfahrung in Form von Gefühlen und Körpererfahrungen speichert. Evolutionsgeschichtlich ist dieses System viel älter als der Verstand und arbeitet vor allem sehr viel schneller: „Innerhalb von 200 Millisekunden antwortet unser Würmli auf äußere Reize mit einer eindeutigen Körperreaktion oder einem Gefühl“, sagt Maja Storch.

Emotionen: kein Störfaktor für das vernünftige Denken, sondern wichtige Entscheidungshilfe

Die Botschaft ist dabei so simpel wie das Ziel: Gute Erlebnisse wiederholen, schlechte vermeiden. Würmli kennt nur zwei Kategorien: Stop oder Go, Grrrmmpf oder Bingo. Umgangssprachlich werden seine Signale meist als Intuition oder Bauchgefühl bezeichnet. Neurowissenschaftler verwenden für die körperlich wahrnehmbaren Reaktionen den Fachbegriff somatische Marker: „Es gibt eine Vielzahl von Körpersignalen, nicht nur aus dem Bauch“, sagt Maja Storch. Sprichwörtlich sind zum Beispiel der gesträubte Nacken, der beschleunigte Puls, die zugeschnürte Kehle, die zittrigen Knie, die Schmetterlinge im Bauch oder der Stein, der vom Herzen fällt. In freier Natur sichere dieses uralte blitzschnelle Bewertungssystem Wohlbefinden und Überleben. Grund genug, es im modernen Alltag nicht einfach zu ignorieren, gibt die erfahrene Motivations- und Entscheidungstrainerin zu bedenken. „Wissenschaftlich werden Emotionen schon längst nicht mehr als Störfaktor für das vernünftige Denken betrachtet, sondern gelten als sinnvolle und wichtige Entscheidungshilfe“, sagt sie.

Der Haken an der Sache: Nicht immer kommen Kopf und Bauch zur selben Entscheidung. Anstatt somatische Marker zu beachten und körperliche Signale adäquat in unsere Entscheidungsfindung einzubeziehen, neigen wir in solchen Fällen kulturbedingt dazu, unser lebenserfahrenes Würmli zu würgen und „unsachliche“, nicht klar ausformulierte Ängste oder Wünsche zu unterdrücken. Wir laden die miesepetrige Erbtante zum Geburtstag ein, obwohl Würmli mit Kopfweh protestiert, und nehmen der Kollegin den lästigen Bericht ab, während Würmli beleidigt vor sich hin grummelt, das sei jetzt schon das dritte Mal. Und auch den mäßig bezahlten Job in Berlin sagen wir ab, obwohl Würmli beim Gedanken ans Umziehen plötzlich so ein freies Gefühl in der Brust hat. Vor allem im beruflichen Kontext gelte das Diktat der Vernunft, Entscheidungen müssten rein sachlich nach dem Kosten-Nutzen-Kalkül getroffen werden: „Das Ideal vieler Führungskräfte ist noch immer der sogenannte Homo oeconomicus, der sich in seinen Entscheidungen wie eine Rechenmaschine verhält“, weiß Maja Storch aus zahlreichen Einzel- und Firmencoachings.

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"Eine gute Entscheidung ist eine Entscheidung, bei der Verstand und unbewusstes koordiniert sind" Dr. Maja Storch

„Wer körperliche Signale ständig ignoriert, trifft nur selten gute Entscheidungen“

Dr. Maja Storch © Storch Dr. Maja Storch, Psychologin,
Institut für Selbstmanagement
und Motivation Zürich ISMZ

Dabei ist permanente Selbstkontrolle erwiesenermaßen weder clever noch gesund: „Wer körperliche Signale ständig ignoriert, trifft nur selten gute Entscheidungen“, warnt Storch (siehe dazu auch Test: Welcher Entscheidungstyp sind Sie?). Das bedeute im Umkehrschluss nicht, dass man stets bedingungslos seinem Bauchgefühl folgen solle, wie es so mancher Esoterikratgeber suggeriert, denn auch dann seien Probleme programmiert. Vielmehr gilt es, beide Seiten zu beachten. „Eine gute Entscheidung ist eine Entscheidung, bei der Verstand und Unbewusstes koordiniert sind“, stellt die Psychologin klar.

Statt den Wurm also jedes Mal zu würgen, wenn er etwas anderes will als der Kopf, rät Maja Storch zur Wurmkur: „Nehmen Sie sich in solchen Situationen Bedenkzeit und versuchen Sie, die unbewussten körperlichen Signale in rationale, sprachliche Argumente zu übersetzen“, so ihre Empfehlung. So werden Sie handlungsfähig. Haben Sie zum Beispiel Angst, dass die Erbtante wieder die ganze Zeit am Haus und den Kindern herumnörgelt, bis Ihrem Partner der Kragen platzt? Dann besuchen Sie sie lieber, anstatt sie zu sich einzuladen. Fühlen Sie sich von der Kollegin ausgenutzt? Dann vereinbaren Sie eine konkrete Gegenleistung, bevor Sie ihr mal wieder Arbeit abnehmen. Oder hapert es ihr einfach am Zeitmanagement? Dann erklären Sie ihr freundlich, wie sie ihr Arbeitspensum künftig besser strukturieren kann, anstatt Sie und andere damit zu belasten. Und wenn Sie gerne raus aus der Provinz und ab in die Großstadt wollen, prüfen Sie weitere Optionen. Vielleicht zahlen andere Unternehmen besser? Oder Sie können dort eine Weiterbildung machen und so in höhere Gehaltsklassen aufsteigen? Und wenn Sie Ihr Auto nicht mehr wie bisher für den langen Arbeitsweg brauchen und in Berlin endlich mit Ihrer Freundin zusammenziehen können, reicht das geringere Anfangsgehalt vielleicht sogar bequem aus.

Fazit: Wer Würmli versteht, kann gezielt nach Alternativen suchen – und sich am Ende für die Variante entscheiden, bei der Kopf und Bauch im Einklang sind.

Welcher Entscheidungstyp sind Sie?

Sie können sich nur schwer entscheiden, lassen sich stark von anderen beeinflussen oder manövrieren sich mit Ihren impulsiven Schnellschüssen regelmäßig ins Chaos? Selbsterkenntnis ist der erste Schritt, um bessere Entscheidungen zu treffen. Dabei hilft Ihnen der Entscheidungstypentest von Maja Storch. Erkennen Sie sich wieder?

Typ 1: Langsamer Brüter

Uhr

Erkennungssignale: Sie geraten selbst bei relativ unwichtigen Entscheidungen leicht ins Grübeln. Oft wären Sie gerne spontaner, doch stattdessen brauchen Sie meist viel Zeit für Entscheidungen.

Stärken/Schwächen: Die Stärke der langsamen Brüter liegt im vorausschauenden Planen. Situationen, die schnelle Entscheidungen erfordern, setzen sie dagegen unter Druck und machen sie oft unsicher und unzufrieden.

Optimale Strategie: Überlegen Sie im Vorfeld, welche Entscheidungen im privaten oder beruflichen Umfeld auf Sie zukommen. Spielen Sie die Situation in Gedanken gründlich durch und planen Sie adäquate Reaktionen im Voraus.

 

Typ 2: Körperlos

Kopf mit Zahnrädern

Erkennungssignale: Sie merken oft erst viel später, wenn Sie etwas ärgert, und haben oft Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, um anderen mitzuteilen, was wirklich in Ihnen vorgeht. Die eigenen Gefühle einzuschätzen, fällt Ihnen schwer.

Stärken/Schwächen: Körperlose ähneln Commander Spock von Raumschiff Enterprise. Als Kopf auf zwei Beinen können sie ausgezeichnet analysieren, was theoretisch sinnvoll wäre. Allerdings haben sie kaum Zugang zu ihrem emotionalen Erfahrungsgedächtnis. Es fällt ihnen deshalb schwer, persönliche Ziele und Bedürfnisse von externen Anforderungen zu unterscheiden. Deshalb laufen sie Gefahr, sich physisch und psychisch zu überlasten.

Optimale Strategie: Schulen Sie Ihre Eigenwahrnehmung. Was empfinden Sie, wenn Sie beispielsweise ein Bild betrachten oder Musik hören? Auch Übungen wie Yoga, Qigong oder Atemtherapien können Ihre Antennen für körperliche Signale stärken.

 

Typ 3: Schnellentscheider

Erkennungssignale: Ihre Entscheidung ist meist schon gefallen, bevor Sie sich alle Alternativen angehört haben. Sie entscheiden gerne − auch wenn Ihre Impulsivität Sie öfter in Schwierigkeiten bringt.

Stärken/Schwächen: Schnellentscheider haben ein gutes Bauchgefühl. Insbesondere positive somatische Marker nehmen sie sehr gut wahr und wollen ihnen folgen. Ihre Impulsivität und Begeisterungsfähigkeit führt allerdings oft dazu, dass sie Entscheidungen nicht gründlich durchdenken und sich zwischen lauter guten Ideen und spannenden Projekten verzetteln.

Optimale Strategie: Nicht immer gleich sauer werden, wenn Ihnen Partner, Freunde oder Kollegen dazu raten, Ihr neustes Vorhaben nochmal gründlich zu überdenken. Geben Sie Ihrem Verstand Zeit zur Rückmeldung. Ein Analytiker wie Mr. Spock wäre für Sie vor wichtigen Entscheidungen der optimale Sparringspartner.

 

Typ 4: Unsicher

ein Viereck mit Ausdehnungspfeilen

Erkennungssignale: Ihnen fällt es nicht schwer, sich am Riemen zu reißen und spontane Impulse zu unterdrücken. Dafür haben Sie oft das Gefühl, das wahre Leben rausche irgendwie an Ihnen vorbei.

Stärken/Schwächen: Ähnlich wie Schnellentscheider können auch Unsichere ihre somatischen Marker ausgezeichnet wahrnehmen − allerdings hören sie nur selten auf ihren Körper. Stattdessen treffen sie oft „rationale“ Entscheidungen, die nicht zu den eigenen Bedürfnissen passen und die sie anschließend bereuen.

Optimale Strategie: Ihr Zauberwort heißt „Moment“. Lassen Sie sich nicht von vermeintlichen Sachzwängen überrumpeln. Nehmen Sie sich Bedenkzeit, um widersprüchliche Signale von Kopf und Bauch möglichst in Einklang zu bringen. Fordern Sie diese Bedenkzeit auch bewusst ein, wenn andere Sie mal wieder „zur Vernunft“ drängen.

 

Typ 5: Feedback-Entscheider

Erkennungssignale: In der Regel gelingt es Ihnen zuverlässig, Kopf und Bauch in Einklang zu bringen. Sie sind innerlich mit sich im Reinen und meist zufrieden mit Ihren Entscheidungen.

Stärken/Schwächen: Feedback-Entscheider treffen Entscheidungen nach bestem Wissen und im Einklang mit dem persönlichen Erfahrungsschatz. Statt Signale von Kopf oder Bauch zu überhören oder bewusst zu unterdrücken, nehmen sie sich die Zeit für mehrere Feedback-Schleifen, um etwaige Widersprüche in Einklang zu bringen.

Optimale Strategie: Glückwunsch, Sie machen alles richtig. Weiter so.

 

Test: Welcher Entscheidungstyp sind Sie?

Das Institut für Selbstmanagement und Motivation Zürich ISMZ bietet den Test zum kostenlosen download an unter: 

Jetzt Test downloaden

 

Gemischte Gefühle: Leichter entscheiden mit der Affektbilanz

Nicht immer ist das Bauchgefühl eindeutig. Das unbewusste Bewertungssystem kann leider durchaus widersprüchliche Signale aussenden. So kann beispielsweise der Gedanke, den Job zu wechseln und dafür in eine neue Stadt umzuziehen, sowohl positive als auch negative Gefühle auslösen.

Um in so einem Fall dennoch zu einer klaren Entscheidung zu kommen, hat Maja Storch am ISMZ die Affektbilanz entwickelt. Mit diesem einfachen Tool bringen Sie Ordnung in eine diffuse Gefühlslage und können neben dem Bauch auch den Kopf zur Entscheidungsfindung heranziehen.

So erstellen Sie eine Affektbilanz:

  • Malen Sie für jede Entscheidungsoption (z.B. alter Job ohne Umzug, neuer Job mit Umzug) zwei Skalen von Null bis 100 auf ein Blatt Papier. Auf der einen Skala markieren Sie möglichst spontan Ihre positiven Gefühle für die jeweilige Option, auf der anderen die negativen.
  • Im nächsten Schritt hinterfragen Sie das gefühlte Ergebnis mit dem Verstand: Woher kommen diese Gefühle? Welche Gründe könnte es für negative oder positive Emotionen jeweils geben? Notieren Sie die Gründe.
  • Nun überlegen Sie anhand der Liste, ob und wie sich Ihre Bewertung ändern lässt. Am besten fangen Sie mit den negativen Gefühlen an und überlegen, wie sie sich möglicherweise soweit reduzieren lassen, dass Ihnen eine Entscheidung für diese Option ohne „Wurmprotest“ möglich ist. Schildern Sie das Problem auch unbeteiligten Personen und fragen nach Lösungsvorschlägen.

Mit der Affektbilanz können Sie eine fundierte und gute Entscheidung treffen, die nicht allein auf sachlichen Argumenten beruht, sondern auch vom Bauch mitgetragen wird. Auch für Paare ist das Tool eine gute Strategie, um sich über widersprüchliche Gefühle im Hinblick auf eine gemeinsam zu treffende Entscheidung klar zu werden und Entscheidungskonflikte zu lösen.  

 

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