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Tierisch schlau

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Clownfische leben mit Seeanemonen zusammen, Blattläuse mit Ameisen, Bienenwölfe mit Bakterien, um nur drei Symbiosen aus der Natur zu nennen. Was skurril klingt, ist ganz schön clever. Denn ohne Kooperationen kämen die Tiere nicht weit – wir übrigens auch nicht.

Der Zufall hat, wie so oft, alles verändert. Eigentlich hatte Prof. Dr. Martin Kaltenpoth für seine Doktorarbeit untersucht, wie männliche Bienenwölfe Sexualpheromone produzieren und wie die Weibchen zwischen den Männchen auswählen. Da entdeckte ein Student zufällig, dass ein Sekret, das die Weibchen abgeben, aus Stäbchen und Fäden besteht, also aus Bakterien. „Uns war sofort klar: Das ist eine spannende Geschichte“, sagt Kaltenpoth, Professor für evolutionäre Ökologie am Institut für Zoologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Kaltenpoth integrierte das Thema in seine Doktorarbeit und konzentrierte sich fortan auf Symbiosen.

Pakt mit Bakterien – seit 70 Millionen Jahren

Die Bienenwölfe sind eine Wespenart, die so heißt, weil sie Honigbienen jagt, durch einen gezielten Stich in die Brust lähmt und ihre Beute dann als Futter für ihre Larven bunkert. Dass sie Bakterien in ihren Fühlern mithilfe von Drüsenzellen regelrecht züchten, war, bis ihnen Kaltenpoth auf die Schliche kam, unbekannt. Warum die Bienenwölfe das machen? Die Bakterien produzieren einen Antibiotika-Cocktail, der die Bienenwolf-Nachkommen vor Infektionen durch Schimmelpilze und Bakterien schützt. „Das Bienenwolfweibchen gibt die Bakterien als weißliches Sekret in die Brutkammer. Erst danach legt sie ein Ei auf die Biene. Hat sich die Larve satt gefressen, nimmt sie die Bakterien auf und spinnt sie in ihren Kokon ein“, sagt Kaltenpoth.

Die Symbiose zwischen Bienenwolf und Bakterien besteht seit 70 Millionen Jahren. Foto: Kaltenpoth

Die Symbiose zwischen Bienenwolf und Bakterien besteht seit 70 Millionen Jahren, vermutet Kaltenpoth. „In erster Linie wollten sich die Symbionten durch die Antibiotika selbst schützen. Als Nebenprodukt haben sie ihren Wirt, den Bienenwolf, geschützt. Daraus hat sich die Symbiose entwickelt.“

Win-win in der Natur

Das Wort Symbiose stammt aus dem Altgriechischen und bezeichnet heute ein Zusammenleben von Individuen zweier Arten, das für beide von Nutzen ist. Die Wissenschaft spricht auch von Mutualismus. Die Natur kennt viele derartige Wohngemeinschaften, die auf den ersten Blick kurios wirken, wie die von Ameisen und Blattläusen. Auf dem Speiseplan von Blattläusen stehen kohlenhydratreiche Pflanzensäfte. Da sie jedoch hauptsächlich die darin enthaltenen Aminosäuren benötigen, scheiden sie den sogenannten Honigtau aus. Weil Ameisen ganz wild auf den zuckersüßen Honigtau sind, halten sie sich Blattläuse und melken diese förmlich. Im Gegenzug vertreiben die Ameisen die Fressfeinde der Läuse. Auch viele Meeresbewohner können nicht ohne Symbiose. Wer eine Boxerkrabbe beobachtet, könnte fast den Eindruck gewinnen, sie würde an einem Cheerleader-Wettbewerb teilnehmen, so fuchtelt sie mit pomponartigen Gebilden herum. Tatsächlich handelt es sich aber um kleine Seeanemonen, deren Tentakel bei Berührung ein nesselndes Gift abgeben. Kommt ein Feind in Sicht, verteidigt sich die Boxerkrabbe mit den Seeanemonen. Dafür fallen für die Anemone Speisereste der Boxerkrabbe ab. Auch die weiß-orangefarbenen Clownfische tummeln sich nicht einfach so zwischen den Tentakeln von Seeanemonen. Die hübschen Fische, die keine schnellen Schwimmer sind, hätten ohne ihren Wirt kaum Überlebenschancen. Ein Clownfisch zieht schon ganz jung bei seiner Anemone ein. Anfangs reibt er sich ganz vorsichtig an ihren Tentakeln. Zum einen gewöhnt er sich so an das Gift, zum anderen erkennt die Anemone den Fisch nicht mehr als fremdes Wesen an. Zum Dank putzt er die Anemone, vertreibt mutig Feinde – selbst Taucher sollen Clownfische schon versucht haben wegzuschubsen – und lockt Futter für die Seeanemonen an.

Turbo für die Evolution

Wer eine Boxerkrabbe beobachtet, könnte fast den Eindruck gewinnen, sie würde an einem Cheerleader-Wettbewerb teilnehmen, so fuchtelt sie mit pomponartigen Gebilden herum. Tatsächlich handelt es sich aber um kleine Seeanemonen, deren Tentakel bei Berührung ein nesselndes Gift abgeben. Foto: Janelle/Adobe Stock

Das Interessante an der Symbioseforschung ist die Frage, wie zwei völlig unterschiedliche Organismen über lange Zeiträume hinweg kooperativ miteinander leben können. Besonders spannend ist, dass solche Mikroorganismen dem Wirt Fähigkeiten mitgeben, wie die Produktion von Antibiotika oder Enzymen, die der Wirt gar nicht selbst entwickeln kann, weil ihm die molekularen Grundlagen fehlen. Und dass die Aufnahme eines Symbionten zu einer extrem schnellen evolutionären Anpassung führen kann. Eine erfolgreiche Symbiose hängt nicht unbedingt vom gleichen Ziel ab. „Viele sehen in einer Symbiose einen gut gemanagten Konflikt. Auch dies zeigt, dass die Kooperation die beste Lösung sein kann, selbst wenn zwei Organismen unterschiedliche evolutionäre Interessen haben“, bestätigt Kaltenpoth. So können eigentlich weder die Bienenwölfe noch die Bakterien den Pakt kündigen.

Kaltenpoth hat nachgewiesen, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit der Larven ohne Symbionten dramatisch von 80 auf zehn Prozent sinkt. Und die einzige Möglichkeit des Bakteriums, mehr Nachkommen zu produzieren, ist, dass die Bienenwölfe mehr Nachkommen haben. „Eine der erfolgreichsten Symbiosen war die zwischen einer eukaryotischen Vorläuferzelle und einem Bakterium, aus der sich die Mitochondrien, deren Hauptaufgabe die Produktion von Energie ist, entwickelt haben. Oder die Aufnahme eines fotosynthetisch aktiven Bakteriums durch eine Vorläuferzelle, die sich dann zu Pflanzen entwickelt hat. Ohne Symbiose würde unser Planet völlig anders aussehen. Es gäbe weder Pflanzen und Tiere noch Menschen“, sagt Kaltenpoth.

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Annette Frank

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