Arbeitswelt & Karriere

Nichts ist so be­stän­dig wie der Wandel

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Was der griechische Philosoph Heraklit schon vor 2.500 Jahren erkannte, gilt erst recht in der globalisierten, vernetzten Welt von heute. Allein mit den Methoden und Erfahrungen von gestern können Unternehmen die Herausforderungen von morgen nicht länger lösen. Die Bereitschaft und Fähigkeit zur beständigen Veränderung wird im digitalen Zeitalter zum Schlüsselfaktor – doch wie gelingt der Kulturwandel?

Weitermachen wie bisher ist angesichts der fortschreitenden digitalen Transformation der sichere Weg, ein Unternehmen zu ruinieren, glaubt Alexander Birken, seit 2017 Vorstand der Otto Group: „Der Kulturwandel ist der Umsatz der Zukunft. Die Alternative ist die Insolvenz“, sagt er. Nachdem das Hamburger Unternehmen im Geschäftsjahr 2014/15 erstmals rote Zahlen verbuchen musste, stellten Vorstand und Gesellschafter nach gründlicher Analyse Veränderungsbedarf fest. Um sich neben agilen und innovativen Wett­bewerbern wie Amazon oder Alipay dauerhaft erfolgreich am Markt zu behaupten, waren neue Denk- und Handlungsmuster erforderlich. So leiteten die Familie Otto und der damalige Vorstand Ende 2015 den Kulturwandel 4.0 ein.

Kulturwandel 4.0: konstantes Lernen

Weniger Bürokratie und Silodenken, stattdessen mehr Ergebnisorientierung, kurze Entscheidungswege, schlanke Prozesse und nicht zuletzt eine veränderte Fehlerkultur sollen das Innovationstempo erhöhen, um Marktchancen künftig schneller zu nutzen und frühzeitig auf veränderte Kundenbedürfnisse zu reagieren. In allen Bereichen werden etablierte Arbeits- und Verhaltensweisen, Geschäftsprozesse und Denkmuster seither konsequent hinterfragt. Angestrebt wird eine neue Haltung: weg von Top-down-Vorgaben hin zu mehr Eigenverantwortung aller Beschäftigten. Das erfordert Zeit und Mut: Ganz bewusst hat der Konzern die Neuausrichtung als offenen partizipativen Prozess ohne definiertes Enddatum oder starren Projektplan gestaltet. Kulturwandel bedeutet konstantes Lernen, so ein wichtiges Fazit nach den ersten fünf Jahren.

Veränderung ist nicht delegierbar

Statt die Verantwortung für den Kulturwandel externen Unternehmensberatungen zu übertragen, treibt das weltweit tätige Familienunternehmen mit 52.000 Mitarbeitenden den komplexen Veränderungsprozess selbst voran. „Es ist uns gelungen, eine teils physische, teils virtuelle Infrastruktur zu schaffen, die es erlaubt, miteinander Dinge anders zu machen“, sagt Tobias Krüger. Als Bereichsleiter des zentralen Kulturwandel-4.0-Teams berichtet der frühere Konzernstratege seit 2017 direkt an den Vorstand. Zu seinem Team zählen Expertinnen und Experten aus Strategie, HR und Kommu­nikation. Daneben gibt es mittlerweile lokale Kulturwandelteams in allen wesentlichen Gesellschaften. Statt Prozesse anzuordnen, hat das zentrale Team eine lernende und beratende Rolle: Was hat sich anderswo bewährt? Was hat funktioniert und was nicht? Die Transformation allein und ohne externe Beratung anzustoßen, sei zwar unglaublich anstrengend gewesen und habe auch zu vielen Fehlern geführt. Trotzdem sieht Krüger darin mittlerweile einen bedeutenden Erfolgsfaktor: „Veränderung der Unternehmenskultur lässt sich nicht outsourcen“, ist er sich heute sicher.

Tobias Krüger, Division Manager Kulturwandel 4.0 bei der Otto Group
Tobias Krüger, Division Manager Kulturwandel 4.0 bei der Otto Group; Foto: Tobias Krüger

Führungskräfte unterstützen

Insbesondere dem mittleren Management verlangt ein Kulturwandel in der Regel viel ab, zum Beispiel auch das Eingeständnis, dass langjährige Erfahrung an Wert verliert. Für viele Führungskräfte eine unbequeme Wahrheit.„Erfahrungen sind das soziale Kapital, mit dem verdiente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter anderem ihren Wert im Unternehmen belegen“, bestätigt Transformationsexpertin Katja Nettesheim. Mit ihrer Beratungsgesellschaft Mediate unterstützt die Professorin für digitales Medienmanagement Unternehmen aus allen Branchen bei der digitalen Transformation. Auch neurowissenschaftlich ist vielfach belegt, dass langjährig praktizierte Methoden und Gewohnheiten nicht von heute auf morgen abzustellen sind. Um Führungskräfte für die Herausforderungen der digitalen Wirtschaft fit zu machen, hat Nettesheim 2019 die Smartphone-App Culcha entwickelt, eine Mischung aus digitalem Werkzeugkasten und Personal Trainer für Change Management. Als ständige Begleitung soll die App Führungskräften mit kurzen, praxisnahen Lektionen und Tools Wissen vermitteln und bei notwendigen Veränderungen im oft hektischen Alltag unterstützen. Täglich eine kleine Dosis bringe mehr als ein zweitägiger Intensiv-Workshop, ist Nettesheim überzeugt: „Eine kurze Druckbetankung erzeugt keine nach­haltige Veränderung.“

Culcha:

Damit Unternehmen auf Dauer Erfolg haben, müssen Mitarbeitende und Führungskräfte die Erfolgsrezepte der Wirtschaft im digitalen Zeitalter verstehen, akzeptieren und anwenden.

Als digitale Begleitung für Führungskräfte will die App Culcha (steht für Culture und Change) in kurzen, praxisnahen Lektionen das nötige Wissen vermitteln und langfristige, nachhaltige Verhaltensänderungen bewirken. Obwohl erst im Frühjahr 2020 gestartet, zählt Culcha bereits Unternehmen wie Audibene, Evonik, Lauda und Siemens zu seinen Kunden. Kostenlose Demo unter: Culcha – Upgrade company culture.

Denkfehler vermeiden

Prof. Dr. Katja Nettesheim ist Expertin für Management und Führung im digitalen Zeitalter und berät Unternehmen bei der digitalen Transformation. Die folgenden Denkfehler behindern nach ihrer Erfahrung in vielen Unternehmen den Wandel.

Als Gründerin und Geschäftsführerin der Transformations-Boutique Mediate, als Initiatorin des Preises “Digital Transformer of the Year” sowie als Professorin und Aufsichtsrätin befasst sich Katja Nettesheim seit 2008 mit den Erfolgsfaktoren der digitalen Wirtschaft. Mit ihrem Team begleitet sie etablierte Unternehmen bei der Anpassung und Weiterentwicklung ihrer Strategien.

„Unsere Erfahrung macht uns unschlagbar.“

Falsch, Erfahrungen beziehen sich stets auf die Vergangenheit, es wäre ein logischer Fehler, daraus die richtige Strategie für die Zukunft abzuleiten.

„Der Erfolg gibt uns recht.“

Sich auf seinen Erfolgen auszuruhen, war noch nie eine gute Idee. Saturiertheit führt in vielen Unternehmen dazu, dass die Zeichen der Zeit zu spät erkannt werden.

„Unsere Branche ist von der Digitalisierung nicht betroffen.“

Irrtum! Die bisherige Entwicklung zeigt: Was sich digitalisieren lässt, wird auch digitalisiert. Selbst für konservative Branchen wie Banken, Bauwesen oder Strahlindustrie gilt: Amazon & Co. verändern die Anforderungen und Erwartungen der Kunden auch im B2B-Geschäft und unabhängig davon, ob das Produkt digitalisierbar ist.

„Unser System sagt, das geht nicht.“

Statt anspruchsvolle Kundinnen und Kunden von oben herab zu belehren, dass sie technisch Unmögliches verlangen, hören Sie lieber aufmerksam zu – sonst tut es schon bald ein anderer.

„Unsere Mitarbeitenden machen nicht mit.“

Zweifel, Sorgen und unzureichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können den Wandel zwar behindern. Doch wenn Transformationsprojekte scheitern, ist das meist eher ein Führungsproblem.

„Fehler können wir uns nicht erlauben.“

Falsch! Schwierigkeiten und Rückschläge sind bei größeren Change-Projekten nahezu unvermeidlich. Sie zu verschweigen, wäre jedoch der größte Fehler. Probleme offen anzusprechen, erhöht dagegen die Glaubwürdigkeit und stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden.

„Dazu haben wir ein Seminar gebucht.“

Transformation ist ein aktiver, fortdauernder und durchaus anstrengender Prozess. Impulse von außen, beispielsweise ein Kick-off-Seminar, können dabei helfen, ersetzen jedoch keineswegs die permanente Auseinandersetzung mit den erforderlichen und angestrebten Veränderungen im Unternehmen.

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Kirstin von Elm

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