Selbstmanagement & Wellbeing

Wenn aus dem Um­bruch ein Auf­bruch wird

Foto: Hays
Wenn das eigene Leben aus den Fugen gerät, dreht sich die Welt einfach ungerührt weiter. Wie kann man es schaffen, Einschläge zu bewältigen und damit weiterzuleben? Isabel Schupp, Kirsten Bruhn und Adel Haidar – drei Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, Lebenskrisen zu bewältigen, im Interview-Porträt.

Wenn aus dem Umbruch ein Aufbruch wird

Isabel Schupp
Foto: Isabel Schupp

Als Isabel Schupps Tochter Pauline 2006 im Alter von 16 Jahren an Leukämie starb, brach die Welt für sie zusammen. Nach sechs Wochen nahm sie an einem Trauer­seminar teil: „Da waren Menschen, die wie ich ein Kind betrauert haben. Ich habe mich verstanden gefühlt, konnte tagelang weinen. Danach war klar – das wird meine neue Lebensaufgabe. Denn Trauer will gesehen und gehört werden, ein Gegenüber haben, es braucht Zeit und Raum, um den Schmerz und den Verlust zu fühlen.“ Schupp, die zuvor als Schauspielerin und Rhetoriktrainerin gearbeitet hatte, gründete in Kooperation mit dem Verein Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e. V. eines der größten Institute für Trauerseminare in Deutschland. In der Gemeinschaft von Betroffenen ist Platz für Erinnerungen und neuen Lebensmut. „In unserer Kultur führen Trauer und Traurigsein ein stiefmütterliches Dasein“, sagt sie, „das wird oft einfach weggeschoben.“

Darüber hinaus gibt sie an der Ludwig-Maximilians-Univer­sität Kommunikationsschulungen für Palliative Care und Hospizarbeit. In Rollenspielen mit Studierenden der Medizin übt sie schwierige Gespräche – vom Erstkontakt mit schwerst­kranken Menschen bis hin zu Konfliktgesprächen mit auf­gebrachten Angehörigen. „Dabei geht es immer wieder um Empathiefähigkeit – Empathie ist die Brücke zur Verstän­digung.“ Oft hört sie die Frage, woher sie die Kraft für die Arbeit mit Tod und Trauer nimmt. „‚What you name you can tame‘ – was du benennen kannst, kannst du zähmen. Je mehr ich mich mit Tod und Trauer beschäftige, desto weniger Angst habe ich.“

1991 fuhr die Leistungsschwimmerin Kirsten Bruhn mit ihrem Freund auf einer griechischen Insel Motorrad, als ein Auto sie von der Straße drängte. Seitdem ist sie querschnittgelähmt. „Wie kannst und willst du jetzt weiterleben? Meine Eltern, die Familie und das medizinische Personal haben mir geholfen, diese Frage zu beantworten. Es fiel mir schwer, von heute auf morgen nicht mehr so schnell, nicht mehr so aktiv sein zu können.“

Kirsten Bruhn
Foto: Kirsten Bruhn

Bruhn machte eine Ausbildung und arbeitete 19 Jahre bei einer großen deutschen Krankenkasse. „In der Kundenbe­ratung konnte ich Menschen helfen. Das Gefühl, gebraucht zu werden, ist wichtig.“ 2002, mit Anfang 30, startete sie erstmals bei einem Schwimmwettkampf für Behinderte. „Eine Schwimmkameradin hat mich überredet, bis dahin bin ich nur für meine eigene Fitness geschwommen. Da ist dann die Leidenschaft wieder aufgeflammt.“ Und hat ihre Ausnahmekarriere befeuert: Die sechsfache Welt- und achtfache Europameisterin gewann elf paralympische Medaillen im Freistil, Brust- und Rückenschwimmen und stellte mehr als 50 Welt- und 60 Europarekorde auf. „Ich habe gelernt, mich nicht über meine Behinderung zu definieren, sondern über das, was ich zu leisten imstande bin. Und den Gedanken folgt die Tat.“ Im Ehrenamt engagiert sich Kirsten Bruhn für den Sport und als Botschafterin für das DRK Schleswig-Holstein und den Weißen Ring. Sie ist als Botschafterin für Rehabilitation, Prävention und Sport beim Unfallkrankenhaus Berlin und im Präsidium des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands Berlin e. V. tätig.

Foto: Optik Hertle
Foto: Optik Hertle

Adel Haidar plante, Hochbauingenieur zu werden wie sein Vater. Doch dann versank sein Heimatland Syrien im Bürgerkrieg, vor dem der Abiturient aus der Stadt Salamiyya 2013 floh – zunächst nach Malaysia, wo er zwei Jahre lang arbeitete. „2015 habe ich Deutschland auf dem Wasserweg über Griechenland erreichen können – beim zweiten Versuch.“ Seine Familie konnte folgen. „Mit meiner Mutter spreche ich oft über die Flucht. Diese Entscheidung zu treffen, war sehr schwierig. Ich kann mir heute nicht mehr vorstellen, das nochmals zu machen.“

Im April 2016 begann Haidar ein IT-Management-Studium an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim. Die Hays AG hat für ihn die Studiengebühren übernommen. „Auch die Lehrkräfte haben mich sehr unterstützt.“ Im Sommer 2019 hat er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA ein Stipendium im Rahmen des MIT ReACT certificate program (ReACT steht für: Refugee Action Hub) bekommen und von Deutschland aus online teilgenommen. Haidar schaut zuversichtlich in die Zukunft: „IT wird mehr gebraucht als Hochbau. Ich bin glücklich mit meinem Beruf.“

Stärke durch Konfrontation gewinnen

Dr. Georg Pieper, Spezialist für Trauma- und Stressbewältigung
Dr. Georg Pieper, Spezialist für Trauma- und Stressbewältigung; Foto: Andreas Klein Photography

Drei Fragen an Georg Pieper, Spezialist für Trauma- und Stressbewältigung

Wie können Menschen ein Trauma überwinden?

Indem sie sich dem Schlimmen stellen und darüber sprechen, was passiert ist. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ – Menschen des Vertrauens suchen, mit denen man reden kann, ist zuerst schwer, dann geht es besser. Eine Therapiemethode ist, Betroffene im Präsens und in der Ich-Perspektive ihre Geschichte aufschreiben und laut vorlesen zu lassen, abwechselnd mit der Therapeutin bzw. dem Therapeuten. So können sie lernen, darauf zu schauen, ohne zusammenzubrechen, und Stärke durch Konfrontation gewinnen.

Wieso bleiben manche Menschen traumatisiert und andere nicht?

Wenn schlimme Dinge passieren, gibt es zwei Möglichkeiten: mit dem Schicksalsschlag hadern und fragen, warum es gerade mich getroffen hat. Dann wird ein lebenslanges Leiden daraus. Oder akzeptieren, dass Schlimmes passiert ist und es auch nach einer Therapie immer wieder Tage gibt, wo es mir schlecht gehen wird. Doch jetzt versuchen, das Beste daraus zu machen. Die radikale Akzeptanz, ein wichtiger Begriff aus der Psychologie, kommt hier zum Tragen.

Kann man sich für Schicksalsschläge wappnen, Krisensituationen üben?

Man kann einkalkulieren, dass das Leben sich jederzeit plötzlich verändern kann. Eine Patientin mit Brustkrebs sagte zu mir: „Warum sollte es mich nicht treffen?“ Ihr war klar, dass diese Diagnose viele bekommen. Das Bewusstsein, das kann auch mir passieren, macht die Fallhöhe geringer. Es ist gut, sich mit dem Leid der anderen zu beschäftigen, sie zu begleiten und Empathie zu entwickeln.

Mut zur Lücke

Katharina Hain ist Senior Department Managerin Federal & Education Partners Management & HR Marketing bei Hays; Foto: Hays

Tipps zum Umgang mit Leerlauf-Phasen im Lebenslauf

Nicht immer reihen sich die beruflichen Stationen nahtlos aneinander. Brüche und Lücken im Lebenslauf müssen indes kein Manko sein, weiß Hays-Recruiting-Expertin Katharina Hain. „Dieser ‚Leerlauf‘ bezieht sich ja lediglich auf die berufliche Tätigkeit, während das Leben in dieser Zeit ohne Pause fortgeführt wird. Häufig werden in diesen Phasen persönliche Fähigkeiten und wichtige Kompetenzen erworben oder vertieft – wovon ein späterer Arbeitgeber profitieren kann.“

Frau Hain, welcher Zeitraum gilt im Lebenslauf als Lücke?

Lücken von zwei bis drei Monaten sind völlig normal und müssen in der Regel nicht erklärt werden. Denn die Zeit zwischen zwei Beschäftigungen – seien dies Ausbildungen, Praktika, selbstständige Projektarbeit, Fortbildungen, Umschulungen oder Anstellungsverhältnisse – schließt bei vielen Bewerberinnen und Bewerbern nicht nahtlos aneinander an.

Wie sollte man mit längeren Pausen ab drei Monaten umgehen?

Lücken von drei Monaten und mehr sollten auf jeden Fall im Lebenslauf erklärt werden. Unerklärte längere Lücken machen Personalverantwortliche häufig misstrauisch und geraten so zum Nachteil.

Wie kann eine längere Phase der Arbeitslosigkeit dargestellt werden?

Arbeitslosigkeit am besten nicht vertuschen, sondern als „aktiv arbeitsuchend“ oder „berufliche Neu- bzw. Umorientierung“ beschreiben. Letzteres nur dann, wenn tatsächlich eine Neuausrichtung des beruflichen Schwerpunktes stattfindet. Wenn Fort- bzw. Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen dazu kommen, wirft dies ein positives Licht auf die Lücke, weil neue berufliche Perspektiven aktiv eingenommen werden.

Müssen Jobwechsel begründet werden?

Berufliche Wechsel sind normal im heutigen Arbeitsleben. Die Zeiten, als man im selben Job 30 und mehr Jahre lang tätig war, gehören meist der Vergangenheit an. Häufige, eng aufeinanderfolgende Wechsel der Arbeitsverhältnisse sollte man jedoch nicht unkommentiert lassen. Berufliche Weiterentwicklung, Interesse für einen neuen Tätigkeitsbereich oder ein Umzug, auch die Insolvenz des Arbeitgebers sind hier mögliche Erklärungen.

Sollten Ausfallzeiten wegen Krankheit erklärt werden?

Lücken wegen Krankheit und die persönlichen Gründe dahinter gehören zur Privatsphäre und müssen natürlich nicht in der Breite thematisiert werden. „Auszeit aus privaten Gründen“ oder „Auszeit aus gesundheitlichen Gründen (vollständige Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt)“ reicht hier aus. Auf etwaige Nachfrage im Bewerbungsgespräch empfiehlt es sich, über die Zukunft zu sprechen: Die „Leidenszeit“ ist überstanden, jetzt geht es besser und die neue berufliche Herausforderung wird körperlich und mental gut gerüstet angegangen.

Wie können längere Auszeiten wie zum Beispiel Work & Travel-Aufenthalte oder ein Sabbatical dargestellt werden?

Die Erfahrungen eines längeren Aufenthalts im Ausland oder einer Auszeit vermitteln neue Eindrücke und erschließen und fördern Fähigkeiten. Wenn allerdings mehr als zwei davon in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren aufeinanderfolgen, wird sich der Arbeitgeber nach der Zuverlässigkeit fragen. Deshalb auch hier am besten die Motivation und Entwicklung begründen.

Sollten Zeiten der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen erwähnt werden?

Kinderbetreuungs- und Pflegezeiten gehören als wichtige und prägende Aufgaben im persönlichen Leben in den Lebenslauf. Entweder als „Elternzeit/Erziehungszeit“ oder ebenfalls als „Auszeit aus persönlichen Gründen“. Oder eben offen als „Pflege einer/s Familienangehörigen“
Im Bewerbungsgespräch sollte dann vermittelt werden, dass die Betreuung oder Pflegezeit abgeschlossen ist bzw. anderweitig organisiert wird – und ausreichend Zeit ist, um die neue berufliche Aufgabe anzugehen.

Wie gehen Robo-Recruiter, das heißt Systeme, die bei der Durchsicht von Lebensläufen eingesetzt werden, mit Lücken im Lebenslauf um?

Viele dieser Systeme ordnen eine Lücke als Station im Lebenslauf ein, die nicht als berufliche Erfahrung eingestuft wird.

Das Fazit von Recruiting-Expertin Katharina Hain:

Im Lebenslauf und Bewerbungsgespräch so authentisch wie möglich bleiben, Offenheit zahlt sich nach meiner Erfahrung aus.
Lücken und Brüche im Lebenslauf sind auch eine Chance – für die eigene persönliche Weiterentwicklung und für den Arbeitgeber, dem dies zugutekommen kann. Denn gerade in diesen Lebensphasen werden häufig soziale und persönliche Kompetenzen, die sogenannten Soft Skills gestärkt, die im beruflichen Umfeld eine immer größere Rolle spielen.
Wenn Ihre Lücke im Lebenslauf der Aufhänger für eine gute Geschichte, ein persönliches Storytelling ist, dann erzählen Sie sie – das passt auch gleich schon ins Anschreiben. Beispiele aus der Praxis für die berufliche Neuorientierung sind die Umschulung vom Beruf in der Bankberatung zur Pflegekraft nach der Betreuung eines kranken Familienmitgliedes oder die Umschulung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher nach Elternzeit. Oder nach ehrenamtlicher Tätigkeit im Verein die Fortbildung im Buchhaltungswesen.

Susanne Jung

Mehr anzeigenWeniger anzeigen

BUCHTIPP

Georg Pieper ist promovierter Psychologe und Psychotherapeut mit einer eigenen Praxis für Trauma- und Stressbewältigung. Der inter­national anerkannte Spezialist für Krisenintervention und Traumatherapie betreut unter anderem Opfer, Angehörige und Einsatzkräfte nach dramatischen Ereignissen wie Gruben- und Zugunglücken.

Sein Buch „Wenn unsere Welt aus den Fugen gerät: Wie wir persönliche Krisen bewältigen und überwinden“ ist im btb Verlag erschienen (ISBN-10: 3442747996, ISBN-13: 978-3442747993).

Susanne Jung

Neue Perspektive gesucht?

Zur Jobsuche

Personelle Unterstützung

Vakanz melden