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28.03.22
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Arbeitswelt & Karriere

Potenziale entfesseln

Eine Farbexplotion mit verschiedenfarbigem Pulver
© iStock (Kesu01)

In einem Doppelinterview gehen wir der Frage auf den Grund, wie sich die Potenziale der Mitarbeitenden entfesseln lassen. Die Managementberaterin Anja Förster beleuchtet die Frage aus Unternehmenssicht, der Motivationstrainer Dirk Schmidt aus Sicht der Mitarbeitenden.

Laut Meinungsforschungsinstitut Gallup brennen 68 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland nicht für ihren Job – sie machen lediglich Dienst nach Vorschrift. 15 Prozent sind nicht nur unglücklich an ihrem Arbeitsplatz, sondern leben das auch noch aus: Sie machen die Erfolge der Kolleginnen und Kollegen schlecht.

Alttext © Marc Wilhelm
Anja Förster, Managementberaterin, Top Speakerin, Autorin und Gründerin der Rebels-at-Work-Initiative

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"Gute Führung bedeutet die Anerkenntnis, dass jeder Mensch andere Motivatoren hat." 
Anja Förster

 

Anja Förster ist Bestsellerautorin, Topspeakerin, Unternehmerin und Gründerin der Rebels at Work, einer Initiative, die Menschen zusammenbringt, die Unternehmen von innen heraus verändern. Die Herausgeberin des Backstage Reports ist überzeugt, dass Mitarbeitende nicht motiviert werden müssen und dass Führungskräfte ihnen den Weg frei machen sollten.

Frau Förster, welche Demotivatoren sind im Spiel, wenn Mitarbeitende nur Dienst nach Vorschrift machen?

In vielen Unternehmen halten sich noch archaische Strukturen, die darauf setzen, dass die Leute motiviert und kontrolliert werden müssen. Führung heißt hier, sich zu überlegen, was zu tun ist, und dann die Mitarbeitenden zu motivieren, die Aufgaben auszuführen. Anschließend wird kontrolliert und das Ergebnis belohnt oder sanktioniert, wenn es nicht den Vorstellungen entspricht. Als Folge werden Entscheidungen tendenziell ein bis zwei Hierarchieebenen höher getroffen, als es sachlich geboten wäre. Die Selbstverantwortung bleibt auf der Strecke. Mein Tipp: Mitarbeitende müssen nicht motiviert werden. Sie sind bereits motiviert. Stattdessen sollten Führungskräfte darüber nachdenken, wie sie damit aufhören können, sie zu demotivieren.

Was wäre eine erste Maßnahme, wenn ein Teil der Mannschaft nicht richtig mitarbeitet?

Feedback einholen – und zwar ohne in die Rechtfertigung oder Beschönigung zu gehen. Schönes Beispiel von Google: CFO Patrick Pichette hatte die Idee, die Mitarbeitenden entscheiden zu lassen, was in Sachen zunehmende Kontrollbürokratie, die nicht nur extrem demotiviert, sondern die eigentliche Arbeit behindert oder verlangsamt, geändert werden müsste. Er rief die Bureaucracy Busters ins Leben, ein Online-Tool, das es ermöglicht, bürokratische Ärgernisse, umständliche Arbeitsabläufe, unnötige Regelungsexzesse und so weiter zu benennen und Vorschläge zu machen, wie sich diese abschaffen lassen. Die besten Ideen werden umgesetzt. Das wirkt wie eine Art Immunsystem, das eliminiert, was beim Arbeiten stört.

Und wie lässt sich ein hohes Engagement langfristig aufrecht erhalten?

Der größte Fehler ist, dass es in vielen Organisationen nicht vorrangig um die Aufgabe geht, sondern um das Erreichen einer Belohnung. Das ist ein schleichendes Gift, das aus Menschen belohnungssüchtige Anreizempfänger macht. Das ist tragisch für das Unternehmen und auch die Menschen, die so den eigenen Antrieb verlieren und den Willen, selbst etwas aus sich heraus zu gestalten. Sie optimieren ihr Verhalten dahingehend, die nächste Belohnung einzustreichen.

Was sollte stattdessen getan werden?

Der erste Schritt in Sachen hohes intrinsisches Engagement ist, auf die Belohnungslogik zu verzichten, denn kein noch so ausgeklügeltes Anreizsystem ist zielführend.

Wie individuell muss Mitarbeitendenmotivation sein?

Gute Führung bedeutet die Anerkenntnis, dass jeder Mensch andere Motivatoren hat. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube unter Führungskräften, dass die eigenen Motivatoren auch für die Mitarbeitenden gelten und diese dann in derselben Art motiviert werden könnten, wie die Führungskraft es bei sich selbst tut. Das erzeugt keine Motivation, sondern führt geradewegs in die Demotivation.

Welche Kompetenzen braucht eine Führungskraft, damit die Mitarbeitenden ihr Potenzial entfalten?

Chefs und Chefinnen sollten aufhören, ihre Rolle so zu interpretieren, als sei es ihre Aufgabe, die Probleme der Mitarbeitenden zu lösen. Die Aufgabe einer Führungskraft ist es, den eigenen Leuten den Weg freizumachen. Und dann aus dem Weg zu gehen! Dazu gehört ein weiterer wichtiger Zusatz: Es erfordert von den Mitarbeitenden, dass sie zu einem erwachsenen Umgang mit Freiraum und Selbstverantwortung willens und fähig sind. Und dass sie sich die Erkenntnis zu eigen machen, dass die helfende Hand stets am eigenen Arm zu finden ist.

Alttext © dreihundertbilder.com

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"Dort, wo meine Ängste sind, liegen meine größten Potenziale." 
Dirk Schmidt

 

Dirk Schmidt zählt zu den gefragtesten Motivationscoachs im deutschsprachigen Raum. Er arbeitet für Topmanagerinnen und -manager und berät im Spitzensport, ist häufig Gast in Fernsehsendungen und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Er erklärt, warum Beschäftigte eine individuelle Förderung brauchen, warum sie sich einen Vertrauensvorschuss wünschen und welche Rolle der Business Dress spielt.

Herr Schmidt, die Motivation ist im Keller. Was können die Einzelnen tun, damit sie wieder motiviert bei der Arbeit sind?

Es gibt weder einen Knopf, auf den man drücken kann, noch eine Formel. Was bei den einen klappt, muss bei den anderen nicht funktionieren. Erwachsene müssen selbst ihre Motivatoren kennen und wissen, was ihnen gut tut und was sie antreibt.

Was sind die wichtigen Motivationsfaktoren aus Sicht der Mitarbeitenden?

Dass sie Spaß und Freude an dem haben, was sie tun. Dass sie ihre Talente und Begabung einsetzen können. Wer Spaß hat, kann sich entfalten, kann mutig sein und die Komfortzone verlassen.

Welche Erwartungen haben die Mitarbeitenden?

Sie wollen Fehler machen dürfen und konstruktives Feedback bekommen, das sie voranbringt. Heute wollen die Beschäftigten eine individuelle Förderung, ein auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Coaching oder Mentorenprogramm. Viele wünschen sich auch einen Vertrauensvorschuss. Gerade über dem Homeoffice schwebt eine Wolke des Misstrauens. Und wo Misstrauen herrscht, kann nichts wirklich Gutes entstehen.

Welche Rolle spielen Anreize?

Krass ausgedrückt: Wenn die Leute nur durch materielle Anreize motiviert werden können, ist es die falsche Belegschaft. Wer liebt, was er tut, braucht keine materiellen Anreize, sie sind nur das Bonbon obendrauf. Die Erfahrung zeigt, dass Boni und Prämien viele Beschäftigte gierig machen. Wenn jemand dieses Jahr die Prämie X erhält, dann muss es nächstes Jahr Prämie X plus Y sein, damit er oder sie sich anstrengt. Diese Motivation kann nur punktuell helfen.

Was, wenn jemand das Gefühl hat, das eigene Potenzial nicht auszuschöpfen?

Oft halten uns Zweifel und Ängste davon ab, unser Potenzial zu entfalten. Sie werden meist schon in der Kindheit angelegt mit Sätzen wie: Das kannst du nicht. Dafür bist du noch zu jung. Oder ganz schlimm: Das haben wir noch nie so gemacht. Diese Sätze schlummern tief in unserem Unterbewusstsein. Wenn sich dann Möglichkeiten bieten, für die mein Herz schlägt, behindern mich diese Sätze, meine Komfortzone zu verlassen und mein Potenzial zu entfalten. Doch dort, wo unsere Ängste sind, liegen unsere größten Potenziale. Und nun kommen wir wieder zu den Rahmenbedingungen. Wenn ich von der Außenlinie, von einem Coach zum Beispiel, konstruktives Feedback erhalte, bin ich dankbar. Denn ein Coach sieht, was in einem steckt, allein findet man das nicht heraus.

Wie lässt sich Selbstmotivation nachhaltig aufbauen?

Es ist immer gut, sich eine verbündete Person zu suchen, die eine ähnliche Herausforderung zu meistern hat. Dann können sich beide Feedback geben und gegenseitig anspornen. Es entsteht eine positive Gruppendynamik. Oder ich hole mir jemanden von außen, der mich an die Hand nimmt und ein Stück auf meinem Weg begleitet.

Mit dem Homeoffice ändert sich vieles. Was können Mitarbeitende dafür tun, damit sie weiter erfolgreich bleiben?

Sie sollten sich Rituale angewöhnen. Studien, unter anderem von Professorin Ellen Langer der Harvard University, besagen, dass eine größere Energie entsteht, wenn wir Business-Kleidung statt Jogging-Klamotten anziehen. Das Homeoffice fordert eine große Selbstdisziplin. Ich höre aber auch oft, dass die Infrastruktur nicht stimmt, die Internetverbindung nicht stabil ist, die Laptops nicht funktionieren. Hier können Firmen ihre Mitarbeitenden mehr unterstützen.

 

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Annette Frank
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