Fit für morgen

Glück gehabt, noch bin ich nicht ersetzbar! Der Job-Futuromat hat gesprochen und mir mitgeteilt: „Die Automatisierbarkeit im Beruf ‚Journalist/-in‘ ist niedrig, da weniger als 30 Prozent der Tätigkeiten durch Roboter erledigt werden könnten.“ Anders sieht es bei der Bürokraft aus. Für sie errechnet das Tool eine derzeitige Automatisierbarkeit von 83 Prozent. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bietet diesen Check im Internet an. Für über 4.000 Einzelberufe lässt sich hier ermitteln, inwieweit die anfallenden Tätigkeiten heute schon von einem Roboter erledigt werden könnten. Eine nette Spielerei – und eine, die sehr drastisch vor Augen führt: Der Arbeitsmarkt steht Kopf. In einer Studie hat das IAB 2016 ermittelt, dass mit der Digitalisierung der Wirtschaft bis zum Jahr 2025 rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze wegfallen. Die gute Nachricht: Etwa genauso viele Jobs entstehen neu.

Allerdings mit anderem Zuschnitt und in anderen Bereichen. In welchen? Das vermag noch niemand genau zu sagen. Klar ist nur: Um zukunftsfähig zu sein, sollten wir das können, was Maschinen nicht können. Dazu gehören zum Beispiel kreatives Denken und das Lösen komplexer Probleme, ebenso die Fähigkeit, sich selbstständig neues Wissen zu erarbeiten. Auf all diesen Feldern jedoch schneide Deutschland nur mäßig ab, beklagt der OECD-Bildungsdirektor Professor Andreas Schleicher. „Deutschland ist laut Pisa-Ergebnissen besonders gut in den Bereichen, die man auch leicht digitalisieren kann“, so Schleicher im Interview mit dem Magazin „Spiegel Online“. Aber: „Wenn Schüler nur fast so gut sind wie ein Smartphone, dann werden sie in der digitalen Welt verwundbar sein.“
Auf die kollaborativen Kompetenzen kommt es an
Nicht die Reproduktion von Faktenwissen dürfte also künftig den Unterschied machen, sondern das, was wir aus diesem Wissen machen. Um hier zu guten Ergebnissen zu gelangen, hält es Peter Spiegel für unerlässlich, den Fokus stärker als bisher auf die „kollaborativen Kompetenzen“ zu richten. Der Bildungsforscher und Gründer des Berliner WeQ Instituts ist überzeugt: „Je besser ich andere achte und mit ihnen zusammenarbeiten kann, desto besser entwickeln sich auch Kompetenzen wie Selbstwirksamkeit oder Problemlösungskompetenz.“ Peter Spiegel zufolge könnten wir das beispielsweise von Singapur lernen: „Beim erstmals 2016 durchgeführten PISA-Test für ‚kollaborative Problemlösung‘ war uns der asiatische Stadtstaat bereits viel weiter voraus als bei klassischer Wissensaneignung. Das Gleiche gilt für China bei der Einführung von Design Thinking in Bildungseinrichtungen.“ Die kollaborative Intelligenz, von Peter Spiegel WeQ getauft, könne sich am besten dann entwickeln, wenn Lernen und Arbeiten nicht länger in abgeschotteten Lerneinrichtungen und abgegrenzten Arbeitsorten stattfände. „Alle traditionellen Lernorte müssen sich dem Lernort Leben tiefgreifend öffnen“, so der Bildungsexperte. Einen ersten Überblick, wie das funktionieren kann, gibt unter anderem die Website schule-plus.de. Vorgestellt werden hier ganz unterschiedliche Bildungsprojekte und -initiativen, die das Lernen jenseits der Klassenzimmer fördern: So unterstützt beispielsweise die Deutsche Bahn mit dem Schulprogramm „Klasse unterwegs“ die Bekanntmachung pädagogisch wertvoller außerschulischer Lernorte und unterstützt Lehrer in der Vorbereitung von Ausflügen.
Alle traditionellen Lernorte müssen sich dem Lernort Leben tiefgreifend öffnen.
Peter Spiegel, Berliner WeQ Institut
Diese Idee des „Überalllernens“ geht einher mit dem Gedanken des lebenslangen Lernens, der in Zeiten rasanter Veränderungen aktueller ist denn je. Denn was gestern noch als entscheidende Kompetenz in einem Beruf galt, ist morgen vielleicht schon von der technologischen Entwicklung überholt. Entscheidend, so Frank Schabel, Head of Marketing/Corporate Communications bei Hays, sei daher die Bereitschaft, sich zu verändern. „Stellenbeschreibungen spielen in Zukunft nicht mehr die zentrale Rolle. Vielmehr geht es darum, ständig neue Aufgaben anzugehen und neue Felder zu beschreiten.“ Die gefragten Köpfe in den Unternehmen sind schon heute nicht mehr die Nerds und die Spezialisten, die auf einem Gebiet über tiefgreifendes Wissen verfügen. Das belegt eine Studie von Hays und PAC zum digitalen Wandel in den Branchen Pharma, Automotive und Banking von 2016. Gesucht sind vielmehr „erfahrene Generalisten, die stark darin sind, neue Themen und Projekte umzusetzen“, so Frank Schabel. Dabei sieht er auch die Unternehmen in der Pflicht: „In den alten Organisationsstrukturen wird es nicht einfach, Zukunftskompetenzen wie Veränderungsbereitschaft und Selbstorganisation zu entwickeln“, sagt er. „Gefragt ist ein größerer Mut zu experimentieren und da, wo es passt, agilere Formen und Methoden auszuprobieren. Das bedarf einer großen Offenheit.“
Das was jeder zwischen seinen beiden Ohren hat, ist der Sicherungsanker in der Arbeitswelt von Morgen.
Prof. Dr. Jutta Rump
Die entscheidende Zukunftskompetenz: Offenheit für Veränderungen
Offen sein für Veränderungen – auch Jutta Rump sieht darin die entscheidende Zukunftskompetenz, für Organisationen ebenso wie für die einzelnen Mitarbeiter. „Entscheidend ist, dass man mit Ungewissheit und Unsicherheit umgehen kann“, sagt die Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule Ludwigshafen und Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE). Mit Interesse beobachtet sie, dass in immer mehr Unternehmen äußere Faktoren wie der digitale, aber auch der demografische Wandel dafür sorgen, dass neue Strukturen etabliert werden. „Viele alte Formen werden derzeit aufgebrochen: wie ein Werdegang auszusehen hat, wie wir Geschäfte machen, wie wir zusammenarbeiten“, so die Professorin. Sie selbst überlässt in ihrem Institut beispielsweise Personalentscheidungen ihren Mitarbeitern. „Bewerbungsgespräche führen und Leute einstellen, das ist eine Teamentscheidung“, findet sie. „Die müssen ja zusammenarbeiten.“ So reduzierten sich Fehlentscheidungen, gleichzeitig erhöhe sich die Identifikation miteinander und mit dem Unternehmen. Und nur so könne eine Vertrauenskultur entstehen. „Es geht nicht nur darum, Personal zu haben, das kompetent und qualifiziert ist, sondern Personal, das sich identifiziert mit dem Arbeitgeber und bereit ist, mit diesem Arbeitgeber in eine Welt hineinzugehen, von der nicht klar ist, wohin sie sich entwickelt.“ Gleichzeitig sieht Rump jeden Einzelnen in der Pflicht, permanent an der eigenen Zukunftsfähigkeit zu arbeiten. „Das, was jeder zwischen seinen beiden Ohren hat, ist der Sicherungsanker in der Arbeitswelt von morgen“, so die Beschäftigungsexpertin. „Diesen Vermögenswert muss jeder in eigener Verantwortung aktuell halten.“
Nicole Pollakowsky
Weiterführende Links
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Prof. Dr. Jutta Rump - Institut für Beschäftigung und Employability:
http://www.ibe-ludwigshafen.de/prof-dr-jutta-rump/ -
WeQ Institute - more than IQ:
https://weq.institute/ -
Peter Spiegel, deutscher Sachbuchautor und Unternehmensgründer:
https://peterspiegel.de/