Zukunft & Innovation

Schöne neue Arbeitswelt?

Foto: srg werbeagentur/fotolia
Autonome Fahrzeuge, humanoide Pflegeroboter, lernende Produktionsanlagen, künstliche Superhirne – übernehmen Maschinen bald die meisten Jobs? Schon möglich, sagen Wissenschaftler, doch das könnte auch sehr schön werden.

Automatisierung und Digitalisierung werden künftig weitaus mehr Jobs vernichten, als sie schaffen, davon ist Federico Pistono fest überzeugt. Für den italienischen Informatiker und Zukunftsforscher ist das keineswegs Fortschrittspessimismus, sondern schiere Logik: Schon längst seien uns Maschinen an Kraft überlegen, bald würden sie auch unsere mentalen Fähigkeiten übertrumpfen, so der 32-jährige Technologieexperte. Die biologische Evolution sei einfach viel zu langsam, verglichen mit dem exponentiellen Tempo, mit dem sich künstliche Intelligenz (KI) weiterentwickle.

Die Vorstellung, dass es in einer Welt unermüdlicher digitaler Superhirne auch zukünftig noch genug Arbeit für alle geben könnte, findet Pistono unrealistisch: „Ich bin sicher, dass wir potenziell in Zukunft mit Millionen von Jobs aller Arten nutzloser Berufe aufwarten können“, schreibt er in seinem Buch „Roboter stehlen deinen Job, aber das ist o.k.“ Schon heute würden smarte Maschinen immer mehr Routinetätigkeiten übernehmen, es sei nur eine Frage der Zeit, bis sie auch in hoch qualifizierten Berufen bessere Ergebnisse erzielten als ihre menschlichen Kollegen.

Für den vielseitigen jungen Wissenschaftler ist das jedoch keineswegs ein Grund zum Verzweifeln, wie auch der Titel seines Buches nahelegt. An der Singularity University, einem Think Tank im Silicon Valley, hat Pistono sich damit beschäftigt, wie sich mit exponentiellen Technologien die globalen Herausforderungen der Menschheit wie Klimawandel, Umweltverschmutzung und soziale Ungerechtigkeit angehen lassen. Er berät internationale Unternehmen und Organisationen, hat mehrere Start-ups gegründet und ist weltweit ein gefragter Redner auf Konferenzen und Kongressen.

Eine digital vernetzte Do-it-yourself-Gesellschaft, in der Ressourcen geteilt oder kostenlos bereitgestellt werden

Sein Fazit: Wenn es uns gelingt, unsere materiellen Ansprüche etwas zurückzuschrauben und unseren persönlichen Wert nicht länger über einen möglichst vollen Terminkalender, ein hohes Gehalt und berufliche Statussymbole zu definieren, erwartet uns möglicherweise eine wunderbare Zukunft, in der wir Zeit haben zu tun, was wir wirklich gerne tun. Zum Beispiel etwas ganz Neues lernen oder andere an unserem Wissen teilhaben lassen – sei es über soziale Medien oder über digitale Plattformen wie die kostenlose Khan Academy, die 2006 von dem ehemaligen Hedgefonds-Analysten Salman Khan gegründet wurde, um allen Menschen Zugang zu hochwertiger Bildung zu ermöglichen, oder Moocs.org, eine Seite, auf der renommierte Universitäten kostenlose Onlinevorlesungen, sogenannte MOOCs (Massive Open Online Courses), anbieten. Oder unsere eigenen gesunden Lebensmittel anbauen – durch digitalisierte, von Sensoren optimal überwachte Kleingewächshäuser künftig fast überall auch ohne Garten und Sonnenlicht, ohne Dünger und Pestizide möglich. Pistono propagiert eine digital vernetzte DIY(do it yourself)-Gesellschaft, in der Ressourcen geteilt oder kostenlos (Open Source) bereitgestellt werden und jeder Einzelne wieder mehr Einfluss hat.

„Die nächste große technologische Revolution wird durch den Einsatz künstlicher Intelligenz bestimmt“

Nicht nur der technologie- und wissenschaftsaffine Digital Native Pistono hält dieses Szenario für realistisch. Auch das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG kommt in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis, dass KI und humanoide (menschenähnliche) Roboter Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft bereits in den kommenden 20 Jahren grundlegend verändern werden. Für die Analyse „Wertschöpfung neu gedacht” haben die Berater gemeinsam mit dem Trendforschungsinstitut Trend One vier verschiedene Szenarien ausgearbeitet, die sich ergeben, wenn man aktuelle technologische und gesellschaftliche Entwicklungen konsequent bis zum Jahr 2040 weiterdenkt.

„Schon heute ist klar: Die nächste große technologische Revolution wird durch den Einsatz künstlicher Intelligenz bestimmt“, sagt Angelika Huber-Straßer, Bereichsvorstand Corporates bei KPMG Deutschland. Spannend bleibe vor allem die Frage, wie wir damit umgehen werden. Die Szenarien in der Studie reichen vom digitalen Schlaraffenland, in dem die Menschen einer hochentwickelten allgegenwärtigen KI vertrauen, die sie beruflich und privat optimal unterstützt und ein nie da gewesenes Maß an Freizeit und Lebensqualität ermöglicht, bis zu einer Arbeitswelt, in der die absolut überlegene KI den Menschen ihre Aufgaben vorschreibt, sodass kaum noch Spielraum für Kreativität und Eigeninitiative bleibt. Allen Szenarien gemeinsam ist jedoch die Aussicht auf eine stärker vernetzte Welt, in der Ressourcen von einer unbestechlichen und uneigennützigen KI optimal genutzt und gerechter verteilt werden. Roboter oder progressive Konsumsteuern helfen, ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle zu finanzieren. Federico Pistono beschließt sein Buch mit einem Filmzitat: „Dies ist die absolut aufregendste Zeit, in der wir uns wünschen könnten zu leben. Und es ist gerade mal der Anfang.“

Federico Pistono

Federico Pistono
Federico Pistono Foto: F. Pistono

Weil das menschliche Gehirn exponentielles Wachstum nicht erfassen kann, und die Folgen des technologischen Fortschritts deshalb regelmäßig unterschätzt werden, greift der international gefragte Redner und Technologieberater Federico Pistono gerne zu einem bildhaften Vergleich:

Wenn er 30 Schritte in linearer Folge gehe (1, 2, 3 …), komme er rund 30 Meter weit, so Pistono. 30 Schritte in exponentieller Abfolge (2, 4, 8, 16 …) brächten ihn dagegen auf den Mond! Und wieder zurück! Und dann noch achtmal um die Erde! So ähnlich entwickle sich die Leistungsfähigkeit von Computern: derzeit noch in größeren Sprüngen, bald aber schon in unfassbar großen Sprüngen.

Kirstin von Elm

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