Zukunft & Innovation

Schöner als ein Ferrari

Der Liebherr-Mobilkrander der den Good Design Award 2020 gewann
Für den Liebherr-Mobilkran erhielt Jürgen Schmid den renommierten amerikanischen Good Design Award 2020 in der Kategorie „Transportation“. Foto: © Liebherr
Ein Autokran, der einen Ferrari erblassen lässt, ein Luftreinigungsgerät, das wie ein gepolstertes Möbelstück wirkt. Worauf es beim Design von innovativen Produkten ankommt, berichten zwei mehrfach ausgezeichnete Industriedesigner.

Jürgen Schmid widmet sich seit fast 40 Jahren dem Thema Maschinendesign. Mehr als 200 internationale Designauszeichnungen sprechen für sich. Dabei geht es nicht nur um eine ästhetische Hülle. „Eine Innovation muss nicht gut aussehen, sie muss den Mehrwert der Maschine steigern“, sagt der Inhaber von Jürgen Schmid Maschinendesign in Ammerbuch und nennt ein Beispiel: „Ein Kunde hatte eine Werkzeugmaschine im Portfolio zum Preis von 350.000 Euro, die aussah, als würde sie nur 80.000 Euro kosten. Die Nachfolgermaschine sollte ihren tatsächlichen Wert von 350.000 Euro widerspiegeln. Wir haben für diese Maschine bündig schließende Schiebetüren entwickelt und mit diesem Design die hohe Präzision der Anlage sichtbar gemacht. Es war die erste Werkzeugmaschine mit solchen Schiebetüren überhaupt.“

Ästhetik ist nur ein Teil der Gestaltung, sonst wäre es freie Kunst.

Arman Emami, Industriedesigner

Differenzierung zum Wettbewerb, geringe Stellfläche und intuitive Bedienung lauten die Zielvorgaben für Schmid und sein Team. Der österreichische Zerspanungsexperte WFL Millturn Technologies wünschte sich für eine Metallbearbeitungsmaschine darüber hinaus ein Design, das junge Menschen begeistert und in die Fabrik holt. „Dass wir dieses Ziel erreicht haben, sehen wir daran, dass die Beschäftigten Schlange stehen, um mit der Maschine arbeiten zu dürfen“, sagt Schmid und ergänzt: „Die Maschine muss ein gutes Gefühl aus­lösen, das ist der Kern unserer Arbeit.“ Und zwar beim Verkaufs­team, bei den Montagefachkräften, den Anwenderinnen und Anwendern und bei allen, die eine Fabrik besuchen und sich einen Eindruck vom Unternehmen verschaffen wollen.

Das Dreh-Bohr-Fräszentrum (leistungsstarke Komplettbearbeitungslösung) von WFL Millturn Technologies
Das innovative Dreh-Bohr-Fräszentrum von WFL Millturn Technologies ist so gestaltet, dass es auch junge Leute anspricht. Foto: © WFL Millturn Technologies

Schmid spricht auch von Stolz, der immer öfter Thema sei, und erzählt von einem Fahrer eines Liebherr Kranfahrzeugs: „Als ihm der Inbegriff der Schönheit in der Autowelt, ein Ferrari Roma, entgegenkam, sagte er: ‚Mein Kranwagen ist schöner!‘. Wenn die Anwenderin oder der Anwender stolz ist, haben wir alle Aspekte erfüllt.“ Für Liebherr-Mobilkrane ist der Industriedesigner seit fast 30 Jahren tätig. Entwickelt das Unternehmen eine neue Generation von Fahrzeugen, sitzt Schmid Maschinendesign von Anfang an mit am Tisch. „Um die 30 Maschinen internationaler Hersteller entstehen pro Jahr, jede hat ihre eigene Geschichte“, sagt Schmid, der vor mehr als 20 Jahren den Mini-Akkuschrauber, einen seiner größten Erfolge, erfunden hat. „Ich führte eine Umfrage durch und stellte fest: 80 Prozent der Befragten wollen keinen großen, schweren Akkuschrauber. Trotzdem kam keiner auf die Idee, dass ein kleiner besser wäre.“ Mittlerweile gibt es vermutlich kaum einen Haushalt in Deutschland ohne Mini-Akkuschrauber in der Schublade.

Doch es muss nicht immer der große Wurf sein. Manchmal ist es sogar nur eine Farbe, die den Unterschied macht, wie bei Homag, dem Weltmarktführer für Holzbearbeitungsmaschinen. „Wir haben einen Anti-Trend gesetzt und die Maschinen nur in Weiß lackiert. Das gab es bis dahin in der ganzen Maschinenwelt nicht“, sagt Schmid. Durch den Verzicht auf eine Zweifarbenlackierung sparte Homag außerdem rund eine Million Euro. „Später brachten wir blaues Plexiglas als zweite Farbe ins Spiel.“ Schmid hat für Homag auch das Innere der komplizierten Maschinen vereinfacht – mit Folgen für die Schulungszeiten, die halbiert werden konnten.

Multidisziplinär und ganzheitlich geht auch Arman Emami an die Produktgestaltung heran. „Man muss alle Faktoren wie Produktionstechniken, Materialien oder Ökobilanz der Produktion abwägen und eine Ideallinie für die Gestaltung finden. Am besten ist es, wenn wir zu einem Zeitpunkt ins Spiel kommen, weit bevor das Produkt ausgereift ist. Denn im Frühstadium der Entwicklung kann noch vieles korrigiert werden“, sagt der mehrfach mit dem Red Dot Award ausgezeichnete Industriedesigner und Inhaber des Studios Emamidesign in Berlin und fügt hinzu: „Ästhetik ist nur ein Teil der Gestaltung, sonst wäre es freie Kunst.“

Der Wairify One, ein innovatives Gerät, das die Luft mithilfe von Plasmatechnik reinigt und ganz ohne Filter auskommt
Das von Arman Emami gestaltete Luftreinigungsgerät Wairify One integriert sich in den Wohnraum, weil es wie ein Möbelstück aussieht. Foto: © Emamidesign

Sein jüngstes Projekt: der Wairify One, ein innovatives Gerät, das die Luft mithilfe von Plasmatechnik reinigt und ganz ohne Filter auskommt. „Viele der Luftreiniger sind industriell gestaltet und lassen sich nicht gut in den Wohnraum integrieren. Dabei ist es wichtig, dass das Produkt nicht wie ein Fremdkörper aussieht. Gleichzeitig aber wollten wir auch die neue Technik unterstreichen.“ Mithilfe von leichtem, aber robustem und zu 100 Prozent recycelbarem Partikelschaum lässt Emami den Wairify One wie ein gepolstertes Möbelstück aussehen. Das Produkt des gleichnamigen Berliner Start-ups erhielt dafür 2022 den Red Dot Award für „Product Design“ und wurde als „Best of the Best“ in der Kategorie „Innovative Products“ ausgezeichnet.

Prof. Lutz Fügener, Leiter des Studiengangs Design und Mobilität an der Hochschule Hof.
Prof. Lutz Fügener Foto: © FACES by FRANK

Innovation ist Bestandteil des Designs

Interview mit Prof. Lutz Fügener, Leiter des Studiengangs Design und Mobilität an der Hochschule Hof und Mitglied der Red Dot Jury.

Herr Prof. Fügener, woran erkennt man, dass es sich bei einem Produkt um eine Innovation handelt?

Man erkennt das nicht immer sofort. Insbe­sondere nicht bei Produkten, bei denen eine Hülle das Innere verdeckt, was bei den meisten der Fall ist. Das gilt vom kleinen elektronischen Gerät bis zum Automobil.


Wie wichtig ist das Design für das Vermitteln einer Innovation?

Eine tragende Rolle spielt das Marketing. Tesla ist ein gutes Beispiel dafür, dass man Innovation nicht immer nach außen sichtbar machen muss. Der vollelektrische Tesla ist von seiner Design­aussage her kein innovatives Produkt. Laien können nicht dekodieren, dass es sich um ein Elektroauto handelt. Der ältere, vollelektrische i3 von BMW dagegen trug die Innovation im Design mit sich. Der i3 wird nicht mehr produziert, Tesla ist ein Riesenerfolg.


Welche Rolle spielt das Design für den Erfolg von Innovationen?

Innovation ist auch Bestandteil des Designs. Selbst in Deutschland, wo wir einen engen Designbegriff haben, steht er nicht nur für die Ästhetik eines Produktes, sondern auch für Verbesse­rungen im Sinne der Nutzbarkeit. Die Möglich­keiten des Designs, Innovationen in der Entwicklungsphase so zu beeinflussen, dass ein besseres Produkt entsteht, sollten immer genutzt werden.


Kennen Sie eine Innovation, die erst dann erfolgreich wurde, als sie ansprechend gestaltet wurde?
 
Ein signifikantes Beispiel ist Apple. Das Unternehmen machte Ende der 1990er-Jahre das Innenleben des Desktop-Computers durch transparente Gehäuse sichtbar und gestaltete die Gehäuse farblich neu. Damit stellte Apple einen völlig neuen Designanspruch an die bis dahin beigefarbenen Geräte und setzte die Schwelle herab, sich einen Computer ins Haus zu holen. Apple konnte mit dem Design auch die Innovation transportieren, die im Computer steckte. Und hat damit eine Tendenz in der Branche losgetreten, die nicht mehr zurückgenommen werden konnte.


Sind die Ansprüche an das Design von Consumer Products höher als die an B2B-Güter?

Im B2B-Geschäft entscheiden andere Gründe über den Kauf eines Objektes. Hier sprechen wir von Investitionen, die sich auszahlen müssen. Das Design spielt dabei eine große Rolle. Es geht um Möglichkeiten des Reinigens, der Wartung, der sicheren und ermüdungsfreien Bedienbarkeit, um Transportabilität usw. Die Anforderungen sind extrem hoch, man muss sich sehr tief in die Materie einarbeiten, um die Vorteile des Produktes zu verstehen. Das ist eine hohe Kunst im Design.

Annette Frank

Neue Perspektive gesucht?

Zur Jobsuche

Personelle Unterstützung

Vakanz melden