Female Leadership – Chancen und Herausforderungen

Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit an einem Leadership Training teilzunehmen. Und zwar nicht an irgendeinem, sondern am „Oxford Women‘s Leadership Development Programme“. Schaut man auf die in diesem Feld angebotenen Fortbildungsmöglichkeiten, so hat man die Qual der Wahl. Warum also gerade Female Leadership? Gemeinhin sehe ich mich weder in meinem Alltag noch in meiner Führungsarbeit als Randgruppe. Dennoch habe ich mich bewusst für dieses Programm entschieden. Zum einen, weil ich mir von einer so renommierten Uni wie Oxford wertvolle Inhalte versprochen habe. Zum anderen, weil ich den Verdacht hatte, dass die Fokussierung auf Female Leadership spannende Erkenntnisse liefern kann.
Nachdem ich mittlerweile Zeit hatte, die Inhalte des Programms in meinen Führungsalltag einfließen zu lassen, kann ich sagen: es war absolut aufschlussreich und lohnenswert!
Was habe ich gelernt? Zwar möchte ich mich nicht nur auf eher schwierige Aspekte des Themas konzentrieren, jedoch finde ich es wichtig zu verstehen, warum viele Frauen in Führungsrollen nicht die klassische „Kaminkarriere“ machen. Es gibt tatsächlich einige, auch bereits wissenschaftlich untersuchte, Hindernisse in weiblichen Führungslaufbahnen. Diese können strukturell oder systemisch sein, wie die viel zitierte gläserne Decke, oder die grundsätzlichen Herausforderungen, die mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einhergehen können. Darüber hinaus gibt es jedoch auch Herausforderungen, die sich aus einer eher weiblich geprägten Haltung zu sich selbst, der eigenen Karriere und dem eigenen Zutrauen ergeben. Um das ganz klar zu sagen: nicht ALLE Frauen denken IMMER so, und es gibt durchaus auch Männer, die sich mit denselben Hürden herumschlagen. Beispiele gefällig?
Impostor Syndrome oder auch „Hochstapler-Syndrom“: Beschreibt das Gefühl, dass man selbst in der Rolle oder mit der Verantwortung, in der man steht, überfordert ist und jede und jeder Außenstehende das sofort merken wird. Vermutlich erleben die meisten Menschen im Laufe ihres Berufslebens einmal dieses Gefühl. Besonders häufig ist dies allerdings bei Frauen der Fall. Gegenmittel? Eine wunderbare Coachin hat mir dazu einmal den Satz gesagt: „Erst ja sagen, dann Schiss kriegen.“ Ist aber manchmal leichter gesagt als getan, da man selbst oft sein eigener, strengster Kritiker ist. Und nicht immer merkt, dass die anderen meist auch nur mit Wasser kochen.
Double Bind: Widersprüche in der Wahrnehmung begegnen uns häufig. Besonders schwierig ist dies dann, wenn man sich bestimmten Erwartungen gegenübersieht und dabei gelegentlich mit zweierlei Maß gemessen wird. Das kann dazu führen, dass ein Verhalten, welches bei einer männlichen Führungskraft als durchsetzungsstark und entscheidungsfreudig interpretiert wird, im weiblichen Kontext als stutenbissig und emotional flexibel gewertet wird. Und das sowohl von Männern als auch Frauen. Eine No-Win-Situation. Und es ist sehr wichtig, dass man sich diese Wahrnehmungsverzerrung bewusst macht und bei sich selbst darauf achtet. Biases prägen oft unseren Alltag, weil sie uns helfen, Situationen schneller und besser einzuschätzen. Manchmal sind sie allerdings ein schlechter Ratgeber und sollten aktiv ausgeschaltet werden.
Frauen und verhandeln – ein weites Feld. Wussten Sie, dass viele Frauen sich sehr viel leichter tun, im Namen von anderen zu verhandeln als für sich selbst? Und dass sie in Verhandlungssituationen leider häufig nicht alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, weil „Frau“ das nicht tut? In diesem Zusammenhang eine dringende Buchempfehlung: „Ask for it: How women can use the power of negotiation to get what they really want“ von Linda Babcock und Sara Laschever. Nicht nur im Führungsalltag steckt in diesem Thema riesiges Potenzial. Und wirklich jede Person, egal welchen Geschlechts, kann hier noch den einen oder anderen Verhandlungstrick lernen.

Aber es gibt auch echte Chancen im Kontext Female Leadership. Besonders hängen geblieben ist hier der Begriff „Empassertiveness“. Er setzt sich zusammen aus „Empathy“, also Empathie und „Assertiveness“, also Durchsetzungsfähigkeit. Beschrieben wird damit die Fähigkeit insbesondere sehr erfolgreicher weiblicher C-Level-Entscheider und -Entscheiderinnen, eine wirksame Mischung aus emotionaler Intelligenz und strategischer Zielorientierung zum Einsatz zu bringen und damit erfolgreiche Unternehmen aufzubauen und zu führen. Diese weiblichen Leader beschreiben selbst, dass ihnen ihre Empathie dabei hilft, Situationen ganzheitlich und nicht nur rein rational zu erfassen, während ihnen der Fokus auf die Strategie und das Big Picture ermöglicht, Entscheidungen auf der richtigen Augenhöhe herbeizuführen, und dabei Betroffene besser einzubinden.
Persönlich habe ich sehr davon profitiert, in meine Führungskompetenz zu investieren. Allein schon sich dafür Zeit zu nehmen, in Ruhe Themen und Situationen zu reflektieren, war wertvoll. Es hat mir dabei geholfen zu erkennen, wo ich Wahrnehmungsverzerrungen habe. In welchen Situationen ich immer wieder bestimmte Verhaltensmuster zeige – und wie ich alternativ handeln kann. Und in welche Fähigkeiten ich ganz gezielt weiter investieren sollte. Manchmal auch um die Komfortzone zu verlassen – jenseits der eigenen, ausgetretenen Pfade.
Jenseits der eigenen, ausgetretenen Pfade. Gerade in den vergangenen beiden Jahren, wo wir alle im Führungsalltag umdenken mussten, vielfach lernen mussten, wie Leadership auch in virtuellen Teams funktionieren kann, ist es so wichtig, sich und sein eigenes Führungsverhalten zu challengen.
Was sind Ihre Erfahrungen? Gibt es wahrnehmbare Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Führung? Oder sind es eher die individuellen Fähigkeiten, die den Unterschied ausmachen? Und lohnt es sich, in eine derartige Fortbildung zu investieren? Ich freue mich auf Ihre Meinungen!