Menschen & Meinungen

„Wo kommst du eigentlich her?“

Wie man Mikroaggressionen erkennt und damit umgeht

Hand aufs Herz: Wer hat schon einmal Sätze gesagt wie „Ach, jetzt hab dich doch nicht so“, „Verstehst du keinen Spaß?“ oder „War doch nicht so gemeint.“ In welchen Situationen kommt das vor? Und welchen Einfluss hat so eine Aussage auf Ihr Gegenüber?

Solche Phrasen sind oft das Ergebnis einer Mikroaggression. Genauer gesagt: Wir sagen etwas, wodurch sich eine andere Person verletzt, angegriffen oder gedemütigt fühlt. Von uns selbst überzeugt, gehen wir häufig davon aus, dass der Fehler beim anderen liegt. Er oder sie ist zu emotional, versteht keinen Spaß oder ist überempfindlich. „Dahinter steckt meist kein böser Wille, sondern einfach das Unverständnis für die Situation des anderen“, weiß Frank Gelhausen, Projektmanager Diversity & Inclusion und macht dies an einem Beispiel deutlich: „Der Satz ,Ich sehe keine Hautfarbe, für mich sind alle Menschen gleich’ scheint für die meisten nicht problematisch. Schließlich leben wir in Deutschland, wo alle die gleichen Rechte haben. Menschen mit anderer Hautfarbe oder Migrationshintergrund machen da häufig andere Erfahrungen“, gibt Frank Gelhausen zu Bedenken. „Viele von ihnen werden mit Vorurteilen und Benachteiligungen konfrontiert. Diese Erfahrungen werden mit so einer Phrase komplett negiert. Kein Wunder also, dass sich Betroffene davon angegriffen fühlen oder verletzt sind. Dabei spielt die Intention der Aussage keine Rolle. Entscheidend ist, wie es beim Gegenüber ankam.“

Also darf ich jetzt gar nichts mehr sagen?

Mikroaggressionen begegnen uns im Alltag immer wieder. Auch die Aufgeklärtesten denken in Stereotypen. Diese sind ein Stück weit auch berechtigt, denn nur so kann unser Gehirn mit der täglichen Informationsflut umgehen. Zum Problem werden diese Stereotype, wenn sie ein negatives Bild auf eine ganze Gruppe werfen: Frauen sind zu hysterisch und emotional, Nicht-Heterosexuelle weichen von irgendeiner „Norm“ ab, ältere Mitarbeitende können nicht mit Technik umgehen. Diese und andere Vorurteile sind so tief in unsere Gesellschaft eingewoben, dass den meisten gar nicht bewusst ist, wie sehr sie sie internalisiert haben. Jedes Mal, wenn wir sie bedienen – und sei es auch nur als Pointe – verinnerlichen wir sie ein kleines bisschen mehr. Sprache formt unsere Gedanken. Diese wiederum prägen unser Handeln. Und das prägt die (Arbeits-)Welt, in der wir uns täglich bewegen.

Und nun?

Wie soll unsere Arbeitswelt aussehen? Idealerweise ermöglicht sie allen Mitarbeitenden ihre Leistungen in einem respektvollen Umfeld ihre zu erbringen. Das heißt auch, dass Mikroaggressionen seltener auftreten oder im Idealfall in Zukunft komplett verschwinden. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Umso wichtiger ist, wie andere Mitarbeitende und vor allem Führungskräfte auf Mikroaggressionen reagieren. „Zu oft suchen wir den Fehler bei den Betroffenen“, erklärt Mimoza Murseli, Projektkoordinatorin Diversity & Inclusion. „Die verletzte Person trägt aber keine Schuld. Und davon, dass ihr gesagt wird, sie solle sich mal nicht so haben, löst sich ihr Problem auch nicht in Luft auf.“ Der erste Schritt sollte stattdessen immer sein, der betroffenen Person zuzuhören. Eben weil Mikroaggressionen so oft als keine große Sache abgetan werden, trauen sich viele Betroffene nicht, das Problem anzusprechen. „Daran muss sich etwas ändern“, findet Mimoza. „Egal ob ich selbst die Aggressorin bin oder nur eine Beobachterin: Ich muss auf die betroffene Person zugehen und ihr zeigen, dass es okay ist, über das Geschehene zu sprechen und dass ich hinter ihr stehe.“ Im nächsten Schritt müsse man Möglichkeiten zur Aufklärung schaffen und versuchen, zwischen den Beteiligten zu vermitteln. Das gälte für alle Mitarbeitenden, insbesondere aber für Führungskräfte.

Educate. Empower. Engage.

Dazu müssen alle Führungskräfte an einem Strang ziehen. „Über Diversity-Trainings und E-Mails können wir nur informieren und eine Grundlage zum Umdenken bei den Mitarbeitenden legen. Wie tatsächlich mit Mikroaggressionen umgegangen wird, hängt stark vom jeweiligen Vorbild der Führungskraft ab“, sagt Frank Gelhausen. Der Plan dazu heißt Educate (Aufklärung und Sensibilisierung der Mitarbeitenden), Empower (ein inklusives Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich alle Mitarbeitenden wohlfühlen), Engage (Einschreiten, wenn Mikroaggressionen stattfinden). Der Anfang dieses Prozesses kann schwer sein, denn es liegt in der Natur von Mikroaggressionen, dass sie vor allem denen auffallen, die sie abbekommen. Hier mal ein paar Beispiele:

  • Frauen loben, weil sie in einer vermeintlichen Männerbranche (z.B. IT) gut mithalten können.
  • Muslime fragen, ob sie im Fastenmonat nicht heimlich mal etwas trinken würden.
  • Aussagen wie „Wow, dass du in deinem Alter in einem Start-up anfängst.“
  • Aussagen wie „Heute ist es aber ganz schön heiß. Aber du kennst das ja. Da, wo du herkommst, ist es ja wärmer als hier.“

Mimoza Murseli erklärt: „Mikroaggressionen suggerieren den Betroffenen oft, dass sie „anders“ sind und von der vermeintlichen Norm abweichen.“ Solches Verhalten an den Pranger zu stellen, wird das Problem aber nicht lösen. Unternehmen müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, warum solche Aussagen nicht in Ordnung sind und ihren Mitarbeitenden einen sicheren Raum geben, um sich mit den eigenen Vorurteilen auseinander zu setzen. Damit sie in Zukunft nicht nur selbst Mikroaggressionen vermeiden, sondern auch einschreiten können, wenn sie in ihrem Beisein passieren. „Gleichzeitig muss für solche Verhaltensmuster auf allen Führungsebenen der Blick geschärft werden, damit wir eine wirklich inklusive Unternehmenskultur schaffen können“, sagt Mimoza. Kulturelle und religiöse Vielfalt muss dafür im Unternehmen sichtbar gemacht werden, während der Austausch mit Betroffenen in geschützten Formaten gefördert wird.

Mit den richtigen Werkzeugen zu einer inklusiven Arbeitswelt

Als Mitglied der „Charta der Vielfalt e.V.“ können Unternehmen wie Hays am Pilotprojekt „Antirassistische Bewusstseinsbildung – Kompetenzstärkung für Vielfalt am Arbeitsplatz“ teilnehmen. In dem Train-the-Multiplikator-Projekt entwickeln die Teilnehmenden verschiedener Unternehmen einen Werkzeugkasten, mit dem sich Betroffene gegen (Alltags-)Rassismus am Arbeitsplatz stark machen können. Wer ihn nutzt, lernt über Rassismus zu sprechen und für ein antirassistisches Umfeld zu sorgen. Außerdem soll die Vernetzung der Teilnehmenden untereinander gefördert werden, um so geschlossen für Vielfalt und gegen Rassismus in der deutschen Wirtschaft einzustehen.

Mehr dazu, wie Hays sich intern und extern für eine inklusive Arbeitswelt einsetzt, lesen Sie hier.

Von Mimoza Murseli und Sophia Brandt

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