Ganz ehrlich: Wer hat schon Lust zu lernen?

Mia ist Ende 20 und arbeitet erfolgreich als Musiktherapeutin. Sie liebt den Kontakt zu Menschen und ist immer wieder berührt davon, wie die Musik dabei hilft, ihren individuellen Herausforderungen zu begegnen. Wenn Mia an Lernen denkt, dann denkt sie an Death Metal und nicht an Kuschelmusik: Ihr Vater ist promovierter Mathematiker und ihm war es wichtig, dass seine Tochter so früh wie möglich das mathematische Denken erlernen sollte. Mias Alltag sah folgendermaßen aus: Der frisch gebackene Schokoladenkuchen steht auf dem Tisch und Papa fragt: „Mia, wieviel Prozent des Kuchens hast du gerade abgeschnitten?“ – Das Osterpäckchen von Oma und Opa trifft ein und Papa fragt: „Mia, bevor du es auspackst, sage mir: Wieviel Volumen hat das Päckchen?“ – Die Tüte Gummibärchen wird geöffnet und Papa fragt: „Mia, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass du mit geschlossenen Augen ein rotes Gummibärchen ziehst?“
Mias Mathe-Note war mit Abstand die schlechteste in ihrem Zeugnis. Sehr früh hat sie für sich entschieden, dass ihr späterer Beruf so wenig wie möglich mit Mathe zu tun haben sollte.
Dafür ist sie nun jeden Tag begeistert dabei, für ihre Klienten die passenden musiktherapeutischen Übungen auszuwählen. Deren Therapie-Fortschritt motiviert sie, ihr Bestes zu geben und sich regelmäßig weiterzubilden. Sie ist glücklich und stolz und spürt ihre Selbstwirksamkeit. Und ihr Vater hat sich mittlerweile gute Antworten zurechtgelegt, wenn er gefragt wird, warum seine Tochter so anders sei als er.
Unsere Erfahrungen und was wir emotional mit ihnen verbinden, haben Einfluss auf unsere (Lern-)Motivation. Die Motivation ist eine innere Kraft, die uns handeln lässt. Sie ist das Produkt aus Erwartung mal Wert. Der Erwartung, den Weg zum Ziel zu schaffen und dem subjektiven Wert, den wir dem Ergebnis beimessen. Motivation wird beeinflusst von Aspekten unserer Persönlichkeit, unseren Vorerfahrungen und der Situation, in der wir uns befinden.

LERNEN HAT EIN FALSCHES IMAGE
Wenn Sie an Lernen denken, was geht Ihnen dabei durch den Kopf?
- Viele verbinden damit das Beheben einer Mangelerscheinung: Mangel an Wissen oder Fähigkeiten.
- Viele verbinden damit eine kontinuierliche Bewertungssituation: Lernen für die gute Note, den Abschluss, das Zertifikat. Die Beurteilung durch andere und die Frage, ob man fair behandelt wird.
- Viele verbinden damit einen anstrengenden Prozess: Lange Texte lesen und verstehen müssen, an Workshops teilnehmen, viel Zeit investieren, die man anders vielleicht wertstiftender investieren könnte.
„Wer zu viel lernt, hat zu wenig Talent.“, sagt ein Postkartenspruch.
Erschwerend kommt hinzu, dass in Unternehmen immer noch Meinungen kursieren wie:
- Lernen ist etwas anderes als arbeiten. Das macht man zu speziellen Zeiten.
- Zum Lernen geht man woanders hin. Nein, nicht in den Keller, sondern z. B. in einem Workshop.
- Wenn man erklären kann, warum das Lernen nötig ist, dann tun die Mitarbeitenden dies gerne.
- Nach dem Besuch eines Trainings können die Mitarbeitenden das anwenden, was sie gelernt haben.
- Usw.
Dabei ist jede Verhaltensänderung das Ergebnis eines Lernprozesses. Aber dazu später mehr.
SIE WERDEN NICHT FITTER, NUR WEIL SIE DIE SPORTSCHAU SEHEN
Lernen und Sport treiben haben viele Gemeinsamkeiten: Sie müssen selbst aktiv werden, das kann Ihnen keiner abnehmen. Sie werden nicht fitter, nur weil Sie die Sportschau sehen, und Sie werden auch nicht kompetenter, wenn Sie sich ein Lernvideo anschauen. Sie werden erst dann fitter, wenn Sie sich die Sportschuhe anziehen und regelmäßig joggen gehen. Sie werden erst kompetenter, wenn Sie die Impulse des Videos auch regelmäßig umsetzen.
Gelegenheiten dazu gäbe es sicher viele. Aber die reine Verfügbarkeit von Möglichkeiten motiviert nicht zum Handeln.
Das kennen wir aus der Fitness-Studio-Branche: Nur weil jemand dort Mitglied ist, heißt es noch lange nicht, dass die Person auch regelmäßig trainiert. „Mindestens die Hälfte sind Karteileichen“, heißt es in diesem Artikel des Manager-Magazins.
Fühlen Sie sich ertappt? Wenn ja: Was war Ihre Motivation, sich anzumelden und warum gehen Sie nicht hin?

MOTIVATION, EMOTION UND HANDELN SIND EIN SYSTEM
Motivation und Handeln sind ein System, in dem viele Rädchen ineinandergreifen, bis es zum Erreichen eines bestimmten Handlungsziels kommt. Dabei spielen auch unsere Emotionen eine wichtige Rolle: Begeisterung, Stolz, Neugier, Überraschung, Faszination… Positive Gefühle fördern in der Regel unsere Einsatzbereitschaft, negative Gefühle hemmen sie eher:
- Sie sind stolz auf Ihr neues Smartphone und Sie haben richtig Lust darauf, die neuen Funktionen zu entdecken.
- Ihre Kollegin hat Sie neugierig gemacht, weil sie in der Mittagspause von ihrem neuen E-Auto geschwärmt hat. Nun fangen Sie an, sich selbst mit dem Thema zu beschäftigen.
- Sie sind fasziniert von den schmackhaften Tomaten aus dem Garten Ihrer Nachbarn und legen nun auch ein Gemüsebeet an.
Diese Beispiele zeigen nicht nur den Effekt positiver Emotionen, sondern auch, dass wir im Alltag lernen, ohne dass wir den Prozess als „Lernen“ wahrnehmen. Lernen ist der Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Während der Arbeit lernen wir. Immerzu. Sie können nicht nicht lernen.
Wir lernen, weil wir wirksam sein möchten und dem Ergebnis einen individuellen Wert beimessen. Bewusst oder unbewusst.
Wenn wir die Dinge allerdings nicht für uns, sondern für jemand anderen tun sollten, z. B. unseren Arbeitgeber, dann erkennen wir zwar die unternehmerische Notwendigkeit zum Lernen, aber treibt uns diese auch an? Logik allein reicht für einen erfolgreichen Lernprozess nicht aus. Wie fühlen wir uns damit? Der wievielte Change-Prozess ist das? Wie sind die bisherigen Veränderungsprozesse im Unternehmen gelaufen? Was hat es mir am Ende gebracht? Auf welchem Weg wurde gelernt? Ist mir der Prozess leicht oder schwer gefallen?

GESTALTEN SIE WIRKSAME RAHMENBEDINGUNGEN
Niemand kann uns das Lernen oder Motiviertsein abnehmen.
Aber die Rahmenbedingungen können so gestaltet sein, dass uns das Lernen leichtfällt und zu uns passt.
Wie hätte sich Mias Einstellung zur Mathematik verändert, wenn sie andere Erfahrungen gemacht hätte? Würde sie heute gerne komplizierte Rechnungen anstellen, um die Bedeutung der Begrünung in Städten für den CO2-Haushalt zu bewerten? Weil sie möchte, dass die Menschen in einer gesunden Umgebung leben? Vielleicht.
Die wichtigste Erkenntnis sollte sein, dass Motivation das Ergebnis eines Systems aus vielen verschiedenen Aspekten ist. Fangen Sie bei sich selbst an und hinterfragen Sie ihre eigenen Verhaltensweisen. Und wenn Sie Einfluss auf andere nehmen möchten, dann versuchen Sie deren Kontext zu verstehen und darauf einzugehen. Geben Sie dem „Lernen“ dadurch ein neues Image! Wir brauchen das, denn die Welt um uns herum verändert sich so schnell, dass wir uns ständig anpassen müssen.
Haben Sie Lust, mehr darüber zu lernen?
Wirksames Up- und Re-Skilling

MEHR ALS E-LEARNING UND BLENDED LEARNING
Lernen hat keinen Selbstzweck. In Zeiten von rasanten Veränderungen hält es uns entscheidungs- und arbeitsfähig, um unsere Geschäftsziele zu erreichen und Innovationen voranzutreiben.
Meike Leue, Head of Training as a Service bei Hays, beleuchtet im Webinar am 28.04.22 das „System Lernen“ und geht auf folgende Aspekte näher ein:
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- Vom pragmatischen Lernansatz zum strategischen Kompetenzmanagement – skalierbar, hybrid und nachhaltig.
- Warum Lernziele immer auch Business-Ziele sein sollten.
- Die entscheidende Rolle der Führungskräfte und das Problem mit der Vereinbarung von Lernzeiten.
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