Human Resources – eine Berufsgruppe erfindet sich neu!

Was sind die Gründe für die explodierende Nachfrage im HR-Umfeld? Diese Frage begleitet mich nahezu in allen Gesprächen, sei es mit Kundenunternehmen oder Kandidatinnen und Kandidaten. Was feststeht und im Berufsalltag deutlich spürbar ist: Beim Thema HR scheiden sich die Geister. In den Gesprächen nehme ich noch immer zwei deutliche Lager wahr. Die einen assoziieren HR-Arbeit mit Stuhlkreisen und Administrations-Junkies. Die anderen, die glücklicherweise die Mehrheit darstellen, sehen in einem facettenreichen HR-Baukasten die Chance als Unternehmen zukunftsfähig zu bleiben.
Nach wie vor ist die Personalabteilung häufig in der direkten Berichtslinie von CFOs anzutreffen und erhält dadurch mancherorts ein eher verstaubtes und administratives Image. Aber moderne HR-Units sind heutzutage zum Glück viel mehr als Personalbeschaffung, Verwaltung und Payroll. Wenn wir heute von Human Resources sprechen, dann sprechen wir meiner Meinung nach von einem elementaren Bestandteil der gesamten unternehmerischen Wertschöpfungskette. HR-Abteilungen haben spätestens seit Corona ihre tiefe Verästelung in sämtliche Unternehmenszweige und dementsprechend ihre große Relevanz unter Beweis gestellt.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass wir eine Entwicklung erleben, die es zu nutzen gilt: Das Berufsbild des Personalers bzw. der Personalerin hat derzeit die Möglichkeit, sich neu zu definieren. Neben all seinen tragischen Seiten hatte Corona vielleicht auch ein paar positive Aspekte für die Personalarbeit im Köcher. Dies ist zumindest mein Eindruck aus dem täglichen Austausch mit HR-Entscheidern und Entscheiderinnen. Spätestens seitdem Buzzwords wie „New Work“, „Fachkräftemangel“ oder etwaige „Digitalisierungsoffensiven“ ganzheitlich auf der Geschäftsführungsetage angekommen sind, ist die Transformation im HR-Bereich nicht mehr aufzuhalten. CEOs schauen deutlich genauer hin und treffen nur noch wenige Entscheidungen, ohne zuvor den wertvollen Rat der HR-Fachkräfte einzuholen.

Jedoch mangelt es derzeit allerorts an genau dieser Expertise.
Worin liegt diese Knappheit begründet und was können HR-Entscheiderinnen und -Entscheider tun, um gar nicht erst in die Situation zu kommen, Fachkräfte in einem schwierigen Markt suchen zu müssen?
Die sprunghafte Steigerung der Nachfrage für Fachkräfte im Bereich Recruiting, Personalbetreuung und Personalverwaltung bzw. -entwicklung begründet sich in meinen Augen in einem Konglomerat verschiedenster Themen wie vorangegangenen Einstellungsstopps und den daraus resultierenden Backlogs in der Einstellungspolitik. Hinzu kommt der nicht aufzuhaltende Austritt der Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt sowie der demografische Wandel. Unternehmen investieren derzeit sehr viel in die Gewinnung sowie Betreuung ihrer Mitarbeitenden.
Und so kommt es zu der entscheidenden Herausforderung für Unternehmen: In der aktuellen Marktsituation ist es relevanter denn je, Mitarbeitende an das eigene Unternehmen zu binden. Im besten Fall möchten Mitarbeitende durch das interne Angebot und die Identifikation mit dem Unternehmen gar nicht nach anderen Positionen schauen oder sind im nächsten Schritt sogar Stolz, ein Teil der Unternehmensfamilie zu sein. Frei nach dem Motto „das Gras ist woanders auch nicht grüner“. Dies ist für viele Unternehmen das Zielbild. Auf dem Weg dorthin gibt es sicherlich einiges zu beachten. Wichtige Keywords, die mir von Bewerbenden in den letzten eineinhalb Jahren genannt wurden, sind Unternehmenskultur, Werte, Flexibilität und die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. Vor allem spielt Flexibilität nach der Corona-Pandemie eine entscheidende Rolle bei der Arbeitgeberwahl.
Angestellte haben die letzten zwei Jahre vielerorts selbstverständlich bis zu 100 Prozent remote arbeiten können, weshalb eine Kehrtwendung zurück zur „veralteten“ Präsenz-Arbeit auf Unverständnis stößt. Hier liegt meiner Auffassung nach ein großer Hebel für die künftige Gewinnung sowie Bindung von Talenten und Fachkräften verborgen.
HR-Entscheiderinnen und -Entscheider müssen demnach zusammen mit der Unternehmensführung ein langfristiges und nachhaltiges Konzept entwickeln, bei dem jede einzelne Person das Gefühl bekommt, gesehen und verstanden zu werden. Der Wunsch nach Individualisierung und Selbstverwirklichung war auf der Seite der Mitarbeitenden vermutlich noch nie größer als jetzt. Dabei wird die individuelle Förderung, die Aus- und Weiterbildung basierend auf persönlichen und eben nicht auf schablonenhaften Unternehmenszielen für Kandidatinnen und Kandidaten immer bedeutender bei der Entscheidungsfindung für oder gegen ein Unternehmen. Flankiert von der Frage, ob man sich mit den Unternehmenswerten bezogen auf Nachhaltigkeit, Vielfalt und Inklusion identifiziert.

In meinen Augen kann dies bedeuten, dass Einzelne die Möglichkeit bekommen, flexibel und ortsunabhängig zu arbeiten. Darüber hinaus müssen Unternehmen Angebote zur Förderung von Young und High Potentials entwickeln, aber auch ihre Benefits und monetären Anreize nochmals auf den Prüfstand stellen. Gamifications werden mittelfristig eine größere Bedeutung im Repertoire der Führungskräfte bekommen. Dabei kann HR beim Aufbau eines internen Netzwerks sowie bei der stärkeren Fokussierung auf Themen wie Female Leadership sowie Networking Events unterstützen. Dies kann in der Konsequenz die Quote der internen Wechslerinnen und Wechsler bestärken, trägt aber auch zum internen Talentpooling bei.
Internes Empfehlungsmanagement als wichtige Plattform.
Recruiting ist heutzutage nicht nur extern zu denken. Das größte Potenzial schlummert wahrscheinlich in den Kontakten der Mitarbeitenden. Hierfür müssen Letztere jedoch grundsätzlich von ihrer Arbeit und ihrem arbeitgebenden Unternehmen überzeugt sein. Nur dann werden sie ihr Unternehmen privat weiterempfehlen.