Karrierewege und geschlechtsspezifische Rollenmuster im Controlling

Die Podcast-Reihe wird im Rahmen einer Kooperation mit dem Podcast „Controlling Vordenker“ und Hays produziert.
Die Controlling-Fachleute sprechen in dieser Folge über das Thema Karrierewege und geschlechtsspezifische Rollenmuster im Umfeld Controlling. Sie beleuchten Fragen, die nicht nur im Controlling von hoher Bedeutung sind: Werden Mitarbeitende bezüglich ihrer Leistung schlechter bewertet, wenn sie von stereotypen Rollenvorstellungen abweichen? Sind Karrierewege genderabhängig und was ist eigentlich unter der Leaky Pipeline im Controlling zu verstehen? Welche Rolle spielen „Glamour-Aufgaben“ dabei?
Vorstellungen:
Prof. Dr. Mischa Seiter: Professor an der Universität Ulm, Institut für Business Analytics
Prof. Dr. Isabella Grabner: Professorin an der WU (Wirtschaftsuniversität Wien)
Guten Morgen liebe Frau Grabner. Ich freu mich, dass wir uns heute zusammengetan haben, um über das spannende Thema Frauen und Männer* im Controlling zu sprechen - vielleicht auch über weitere Diversity-Dimensionen hinaus.
Dass wir in diesem Podcast nun mit Forscherinnen und Forschern sprechen, ist etwas ganz Neues. Aber in Ihrer Forschung haben Sie bereits einige spannende Dinge dazu herausgefunden und sind in der Thematik insgesamt sehr firm. Wenn also nicht mit Ihnen sprechen, mit wem dann?
Vielen Dank für die Einladung und einen guten Morgen aus Wien!
Fangen wir doch direkt mit der ersten, sehr breiten Frage an. Wie unterscheiden sich eigentlich Frauen und Männer im Controlling? Wir wissen bereits, in irgendeiner Art und Weise scheinen Männer und Frauen unterschiedlich zu sein, aber wie genau spiegelt sich das denn direkt im Controlling wider?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Um diese beantworten zu können, muss ich gleich mit einer Kernursache für unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern im Unternehmensumfeld beginnen – nämlich dem Denken in Stereotypen.
Stereotype bedeutet, dass man Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit einer Gruppe, in unserem Fall den Geschlechtern, und eben nicht basierend auf die individuelle Leistung beurteilt. Und das ist auch nicht in Gänze verwerflich, denn alle tun das unbewusst, Sie wie auch ich, weil es in der Natur des Menschen liegt.
Stereotype sind entscheidend dafür, dass Männern zum Beispiel mehr Durchsetzungskraft und Selbstsicherheit zugeschrieben wird, während Frauen als fürsorglich und empathisch wahrgenommen werden. Ob das tatsächlich so ist, da scheiden sich die Geister. Denn man muss beachten, dass die Entwicklung psychologischer Merkmale besonders komplex sind, was sich in der psychologischen und biologischen Forschung immer wieder zeigt.
Diese Unterschiede kann man nicht einfach auf einzelne Merkmale wie das Geschlecht zurückführen. Wir wissen also nicht, ob es diese geschlechtsspezifischen Unterschiede wirklich gibt. Allerdings ist es bei Stereotypen so, dass wir nicht nur glauben zu wissen wie z.B. der Mann oder die Frau ist, sondern viel wichtiger, dass wir auch glauben, wie man aufgrund des Geschlechts zu sein hat. Weicht das Verhalten vom Stereotypen ab, dann trifft das oft auf Missgunst.
Denken wir beispielsweise an die Beurteilung von Führungskräften: eine durchsetzungsfähige Frau wird hier oft als aggressiv und herrschsüchtig interpretiert, während ein Mann für die gleichen Eigenschaften gelobt wird.
Und wenn wir schon beim Thema Stereotypen sind, und um ihre Frage noch ein wenig konkreter zu beantworten: aus meiner eigenen Beobachtung heraus, sind sich Männer ihrer Stärken viel eher bewusst und auch energischer in der Umsetzung ihrer Ziele. Frauen dagegen konzentrieren sich mehr auf ihre Schwächen und trauen sich Karriereschritte deutlich langsamer zu.
Ist die Management-Ebene allerdings erreicht, verschwimmen diese Beobachtungen. Frauen, die es nach oben schaffen, sind oft ähnlich selbstbewusst wie Männer. Womit ich zurück auf die Ausgangsfrage komme: Unterschiede im Controlling lassen sich vermutlich nicht so genau beschreiben, wie die Unterschiede auf der Führungsebene.

Das waren bereits sehr viele interessante Informationen! Besonders spannend fand ich hier einer der ersten Aussagen. Nämlich die, dass man bei der Abweichung der eigenen stereotypischen Rollenmuster anders gewertet wird, habe ich das richtig verstanden?
Genau. Ein sehr gutes Beispiel ist leider noch immer der Papa auf dem Spielplatz. Während eine Frau dort nicht auffällt, wird der Mann sehr viel eher bemerkt und als fürsorglich und engagierter Vater wahrgenommen. Denn dem Stereotyp nach, kümmern sich die Mütter um ihre Kinder. Macht das ein Vater, wird das gleiche Verhalten aufgewertet.
Allgemein kann das Abweichen von Stereotypen in zwei Richtungen aufgenommen werden, positiv und negativ. Auf der einen Seite kann mit Stereotypen inkonsistentes Verhalten belohnt werden, weil man über die Erwartungen hinaus performt – wie im „Vater auf dem Spielplatz-Beispiel“. Auf der anderen Seite kann nicht-stereotypisches Verhalten bestraft werden. Das erleben besonders Frauen am Arbeitsplatz häufig, wenn sie männlich-stereotypisches Verhalten zeigen. Stereotypen rufen also bei den Geschlechtern also ganz unterschiedliche Reaktionen hervor.
Das ist eine gravierende Aussage, weil das bedeutet, dass die Stereotypen in gewisser Art zum Ankerpunkt in der Beurteilung von Leistungen bei den Geschlechtern wird. Wir haben also eine gewisse Subjektivität in unserer Beurteilung?
Das ist genau der Punkt, den wir in unseren Forschungen beobachtet haben. Männer und Frauen werden für die gleiche Leistung sehr oft unterschiedlich bewertet. Das kommt eben von unseren Stereotypen, die sich zum Beispiel ganz besonders in der Bewertung von Führungsaufgaben zeigen. Dort herrscht oftmals die unbewusste Überzeugung, dass Männer diese Aufgaben einfach grundsätzlich besser bewältigen können, weshalb sie auch in der Bewertung einen Vertrauensvorschuss erhalten und besser abschneiden.
Das ist ganz besonders dann zu beobachten, wenn die Bewertungsfragen viel Raum für subjektive Beurteilung bieten, wie bei der Frage „Ist X eine gute Führungskraft?“ – hier greifen dann die Stereotype. Wird dann aber konkreter nach der eigentlichen Aufgabenbewältigung gefragt, verringert sich die Verzerrung dieser Stereotype. Zum Beispiel bei der Frage „Wie gut führt X das Team durch Krisenzeiten?“.
*Wir sind uns darüber bewusst, dass es auch non-binäre Geschlechtsformen gibt. Leider war die Datenlage dazu nicht ausreichend, um in die Untersuchungen einfließen zu können. Hays fördert Karrieren aller Geschlechtsformen gleichermaßen.
Hier geht's zur ganzen Folge:
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