Unternehmen & Märkte

Mit Arbeitnehmer­überlassung zur „Boundaryless Organisation“

In einer sich ständig verändernden Arbeitswelt beschleicht uns Führungskräfte oft das Gefühl, dass wir uns fast jede Woche mit einem neuen Schlagwort rund um die Themen menschliches Verhalten und Organisationsentwicklung beschäftigen müssen.

Vom „Quiet Quitting“ über „Hush Trips“ (heimliche Urlaubstrips dank Homeoffice) bis hin zu „Toxic Positivity“ (eine Art schädlicher Optimismus, der positives Denken als einzige Problemlösung anerkennt): Wir sind voll und ganz damit beschäftigt, neue Begriffe zu definieren, die den Wandel in der Arbeitswelt um uns herum erklären.

In letzter Zeit jedoch ist ein Begriff wieder aufgetaucht, der schon seit über 30 Jahren existiert: „Boundaryless Workforce“ – also das Konzept der „grenzüberschreitenden Belegschaft“. Seit der Entstehung des Begriffs im Jahr 1990 hat sich viel verändert. Neue Technologien und Arbeitsansätze haben dafür gesorgt, dass diese Idee zuletzt wieder heiß diskutiert wurde. Nachfolgend erkläre ich, warum ich das Konzept der Arbeitnehmerüberlassung für einen wichtigen Faktor bei der Gestaltung einer grenzüberschreitenden Belegschaft halte – und was Sie als Führungskraft tun können, um sie für Ihr Unternehmen zu gewinnen.

Beginnen wir mit einer kurzen Definition dessen, was mit den Begriffen Arbeitnehmerüberlassung" oder „Zeitarbeit“ eigentlich gemeint ist. Expertinnen und Experten in der Arbeitnehmerüberlassung sind über ein Personalvermittlungsunternehmen wie Hays angestellt und werden an ein auftraggebendes Unternehmen „verliehen“, um für einen festgelegten Zeitraum eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen. Für Unternehmen sind solche Arbeitskräfte eine gute Möglichkeit, kurzfristig auf Marktveränderungen zu reagieren, z. B. auf eine schwankende Nachfrage oder einen variierenden Bedarf an unterschiedlichen Qualifikationen. Für die weltweit wachsende Zahl nicht fest angestellter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bietet diese Form der Arbeit mehr Flexibilität, neue Arbeitskontexte kennenzulernen und die Möglichkeit, je nach Qualifikation und Nachfrage höhere Gehälter zu erzielen.

„Boundaryless Workforce“ – was steckt dahinter?

Doch was hat es mit der „Boundaryless Workforce“ überhaupt auf sich? Jack Welch, der ehemalige CEO von General Electric (GE), gilt weithin als derjenige, der dem „Boundaryless“-Konzept den Weg in die Öffentlichkeit geebnet hat. Im Geschäftsbericht von General Electric für 1990 schrieb Welch, dass sein Traum für das Jahrzehnt ein „grenüberschreitendes Unternehmen“ („Boundaryless Company“) sei, „in dem wir die Mauern einreißen, die uns trennen“. 

In der jüngeren Vergangenheit habe ich beobachtet, wie einige innovative Organisationen die Prinzipien von „Boundaryless“ in der heutigen Welt umgesetzt haben, darunter:

  • Google: Der Tech-Gigant experimentiert mit Multifunktionsbüros und entwickelt eine fortschrittliche Videotechnologie, um eine größere Chancengleichheit zwischen Beschäftigten im Büro und denjenigen zu schaffen, die remote arbeiten.
  • HubSpot: Das schnell wachsende Unternehmen HubSpot stellt Zusammenarbeit und Innovation in den Mittelpunkt. Neue Ideen durchlaufen einen dreistufigen Prozess, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu ermutigt werden, Projekte mit Unterstützung des Managementteams von der „Alpha-Version“ bis zur „Version Eins“ zu entwickeln.

„Boundaryless“ steht erneut im Fokus der Öffentlichkeit – aber warum?

Das „Boundaryless“-Konzept ist alles andere als neu. Dennoch gibt es eine Reihe von Faktoren, die das Interesse daran neu entfacht haben. 

Technologie: Jack Welchs Vision von „Boundaryless“ setzte voraus, dass die Teams in Echtzeit miteinander kommunizieren können.  In den 1990er-Jahren standen Beschäftigten nur begrenzte Mittel zur Zusammenarbeit zur Verfügung. 30 Jahre später hat sich die digitale Infrastruktur der Unternehmen grundlegend verändert. Innovative Technologien legen den Schwerpunkt auf bessere Zusammenarbeit: Microsoft Teams, Slack, Trello, Zoom, Dropbox – die Liste scheint endlos. 

Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) zwingen uns alle dazu, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit neu zu bewerten. In meinem letzten Beitrag habe ich beschrieben, wie generative KI-Tools wie ChatGPT bereits heute Reports erstellen, Webseiten gestalten und Gebäude entwerfen.

Seit Welch den Begriff „Boundaryless“ geprägt hat, haben sich die technologischen Möglichkeiten stark weiterentwickelt. Das bedeutet, dass wir heute in der Lage sind, Welchs Vision einige Schritte voranzutreiben und Mensch und Maschine näher zusammenzubringen als jemals zuvor.

Fachkräftemangel: Der anhaltende Engpass an qualifizierten Arbeitskräften auf der ganzen Welt zwingt Unternehmen dazu, bei der Erledigung ihrer Arbeit ehrgeiziger und kreativer zu Werke zu gehen.

Personalverantwortliche können es sich nicht mehr leisten, talentierte Arbeitskräfte nur aufgrund ihres Standortes zu ignorieren. Im Gegenteil: Sie müssen den Kreis der Kandidatinnen und Kandidaten weiter fassen denn je. Außerdem lässt sich derzeit ein wachsendes Interesse an diversifizierten oder alternativen Talent-Netzwerken beobachten, da Unternehmen versuchen, ihre Qualifikationslücken durch bisher vernachlässigte Personen zu schließen.

Und da Agilität und Effizienz für viele Unternehmen an erster Stelle stehen, erfreut sich das Konzept der Arbeitnehmerüberlassung immer größerer Beliebtheit.

Darum sind temporäre Arbeitskräfte für eine „Boundaryless Organisation“ unverzichtbar

Die ständig wachsende Zahl der Beschäftigten in Arbeitnehmerüberlassung deutet auch darauf hin, dass nicht nur die Menschen in den Chefetagen die Vorteile der „Boundaryless“ wahrnehmen. Arbeitskräfte wünschen sich mehr Kontrolle über ihr eigenes Leben und ihre Karriere. In einer kürzlich durchgeführten LinkedIn-Umfrage mit über 10.000 Befragten gaben 41 Prozent der Auftragnehmenden an, dass sie die größere Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsplatzes als größten Vorteil gegenüber einer Festanstellung in Vollzeit sehen. 1

Für Unternehmen, die Barrieren abbauen und mehr Innovation und Zusammenarbeit in ihren Teams unterstützen möchten, sind Arbeitskräfte in Arbeitnehmerüberlassung ein wichtiger Faktor. Das Konzept als Teil der Personalstrategie bringt einige Vorteile mit sich. Dazu gehören unter anderem:

  • Flexibilität bei der Bedarfsanpassung: Ganz gleich, ob man ein spannendes Projekt verfolgt oder versucht, eine steigende Konsumnachfrage zu bedienen – temporäre Arbeitskräfte helfen dabei, Kapazitäten zu erhöhen. Meine Kollegin Sophie Vernaet, Business Director in unserer belgischen Niederlassung, betonte, dass Unternehmen aufgrund der sich ständig verändernden Arbeitswelt „sehr innovativ, agil und flexibel“ sein müssen. Sophie sagte weiter, dass befristet Beschäftigte „die perfekte Lösung“ sind, da sie oftmals eine andere Perspektive einbringen als ihre fest angestellten Kolleginnen und Kollegen.
  • Zugang zu Spezialkenntnissen: Der Einfluss spezialisierter Auftragnehmender aus verschiedenen Branchen wie etwa Technologie, Bau und Finanzen ist sofort spürbar. Sie werden daher oft für Projekte eingesetzt, die komplexe Veränderungen mit sich bringen. Mike McNally, Sales and Development Director (UK) bei Hays, erklärte, dass für viele Unternehmen der Zugang zu speziellen Qualifikationen einer der wichtigsten Faktoren für die Einstellung von Zeitarbeitskräften ist – bedeutender ist demnach nur noch der Aspekt der Flexibilität. 

Die Flexibilität, mit der sie sich in Organisationen einbringen, trägt dazu bei, „Mauern“ in Unternehmen einzureißen. Der Einsatz von Arbeitskräften in Arbeitnehmerüberlassung kann neue Perspektiven schaffen, Hierarchien überwinden und auf diese Weise Veränderungen herbeizuführen. Da Fachkenntnisse in den meisten Branchen sehr gefragt sind, kommt es weniger darauf an, wo diese Arbeitskräfte ansässig sind, sondern vielmehr darauf, wie ein nahtloses Onboarding und eine optimale Einbindung in das Unternehmen möglich sind – egal ob remote oder persönlich.

Temporäre Arbeitskräfte in einer „Boundaryless Organisation“ einsetzen –
so kann es funktionieren

Es wird jedoch nicht ausreichen, einfach nur Zeitarbeitskräfte in die Personalstrategie aufzunehmen und zu hoffen, dass sich daraus Innovationen ergeben. Vielmehr müssen Unternehmen zielgerichtet vorgehen: Sie müssen sich darüber im Klaren sein, welche Ziele sie verfolgen und wie sie diese erreichen wollen.

Das richtige Wording: Jack Welch wies bereits darauf hin, wie wichtig es ist, Bezeichnungen wie „fest angestellt“, „befristet“ oder „in Zeitarbeit“ zu ignorieren oder vollständig zu streichen, da diese seiner Meinung nach einer effektiven Zusammenarbeit im Wege stehen.

Mein Kollege Matthew Dickason (Hays, CEO Asien-Pazifik) hat die Bedeutung eines sprachlichen Wandels treffend zusammengefasst: „Wenn Teams externe Arbeitskräfte aufgrund ihrer Fähigkeiten und nicht aufgrund ihrer Vertragsbedingungen beurteilen, resultiert das in einer Personalstrategie, die einen viel ganzheitlicheren Ansatz verfolgt. Der Fokus liegt dann nicht mehr auf ‚fest angestellt‘ oder ‚nicht fest angestellt‘, sondern auf den Kenntnissen und dem Fachwissen, das einzelne Personen mitbringen, um Herausforderungen zu bewältigen oder das Wachstum voranzutreiben.“

Neben einem kulturellen Wandel müssen die Unternehmen außerdem sicherstellen, dass sie sämtliche Vorschriften einhalten, die die Beschäftigung von Arbeitskräften in Arbeitnehmerüberlassung mit sich bringt. Es ist eine schwierige Aufgabe, sich in einem dynamischen rechtlichen Umfeld zurechtzufinden, das obendrein von Region zu Region sehr unterschiedlich ist. Weiterführende Infos zur Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland gibt es hier.

Von „Grenzen“ zu „grenzüberschreitend“: Ein letzter Gedanke zu „Boundaryless“

Für viele Organisationen ist „Boundaryless“ ein abstraktes, kaum greifbares Konzept – und das wird auch noch eine Weile so bleiben.

Dennoch können wir aus dem „grenzenlosen“ Traum, den Jack Welch 1990 formulierte, einiges lernen. Beschäftigte in Arbeitnehmerüberlassung bieten einen größeren Spielraum, um auf Nachfragespitzen zu reagieren.  Außerdem ergänzen sie die Personalstrategie um wichtige Spezialkenntnisse und -fähigkeiten. Es ist daher zwingend erforderlich, die Barrieren, das Schubladendenken und die Abgrenzungen zu überwinden, die uns an einer besseren Zusammenarbeit hindern.

Von Hays auf LinkedIn veröffentlichte Umfrage

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