Gaming und Recruiting – kann das zusammenpassen?

Umso wichtiger ist es, neue, kreative Wege zu gehen, um junge Talente zu gewinnen. Einen möglichen Ansatz möchte ich hier darlegen. Vor ein paar Wochen durfte ich als Referent auf der FIBO in Köln, der weltweit größten Messe für Fitness, Wellness und Gesundheit, zum Thema „Corporate Gaming als effektives Instrument für HR“ sprechen. Mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich des Employer Brandings diskutierten wir über die Chancen von Gaming als neue Recruiting-Strategie. Die Gaming- und E-Sports-Branche bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, für das eigene Unternehmen zu werben und Mitarbeitende zu binden.
In Deutschland fristet Gaming und E-Sports in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit eher noch ein Schattendasein. In der Medienlandschaft wird Gaming oftmals nur als Trend oder Kuriosität erwähnt. Wenn man jedoch die Statistiken betrachtet, wird schnell klar: Gaming ist keinesfalls nur eine Randerscheinung. Ganz im Gegenteil – es ist ein fester Bestandteil des Alltags vieler Menschen:
- In Deutschland gibt es 34,4 Mio. Gamer und Gamerinnen, im Alter zwischen 6 und 69. Davon spielen 6 von 10 Personen regelmäßig Videospiele
- Die Altersverteilung ist sehr homogen und das Durchschnittsalter bei Zockern und Zockerinnen liegt bei fast 38 Jahren
- Der Bildungsgrad aller Spielerinnen und Spieler ist ebenfalls bunt gemischt, rund ¼ haben einen Hochschulabschluss
- Mit 48 % Frauen und 52 % Männern ist auch die Geschlechterverteilung sehr ausgeglichen
In Anbetracht der Zahlen lässt sich festhalten, dass Gaming keine Nische ist. Es ist in allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen anzutreffen. Man kann von einer Alltagskultur sprechen, manche Spiele gelten bereits als Kulturgut. So sind zum Beispiel Pac-Man, Super Mario oder Lara Croft Ikonen der Popkultur.
Diese Tatsachen werfen bei mir die Frage auf, warum Unternehmen die Akzeptanz und Reichweite des Gamings nicht für die eigene Recruiting-Strategie nutzen? Es erschließen sich hier diverse Möglichkeiten, ich möchte mich aber auf zwei Handlungsfelder beschränken:
Das Employer Branding, um sich aktiv als Arbeitgebermarke in der Zielgruppe zu positionieren sowie die Mitarbeitendenbindung, um Talente zu finden und die Arbeitgeberattraktivität zu steigern.
Employer Branding: Junge Zielgruppen in ihrer Lebenswelt erreichen

Unter Employer Branding versteht man unternehmensstrategische Maßnahmen, bei denen Konzepte aus dem Marketing angewendet werden, um ein Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren und von der Konkurrenz im Arbeitsmarkt positiv abzuheben.
In Deutschland sind bereits auf so gut wie allen Kanälen, sei es digital oder in der Außenwerbung, unzählige Kampagnen von Unternehmen zu sehen, um sich als toller Arbeitgeber zu positionieren. Im Bereich Gaming und E-Sports findet man diese Art von Unternehmenspräsentation bisher kaum. Dabei gibt es schon heute zahlreiche Möglichkeiten für Platzierungen oder Partnerschaften.
Formate wie Twitch, YouTube Gaming inkl. seiner Let’s Plays oder Turniere erreichen allein in Deutschland im Jahr ein Millionenpublikum. Und die Bindung der Zuschauenden zu ihren Streamerinnen und Streamern ist sehr hoch (vergleichbar mit Influencern und Influencerinnen). Eine Partnerschaft oder eingebettete Kampagne hätte aufgrund des Seltenheitscharakters einen starken Impact auf die Wahrnehmung. Auch der Imagegewinn durch Einbettung der Marke ist wertvoll. Man wäre als Unternehmen in der Lebenswelt der Zielgruppe sichtbar, in der potenzielle Bewerbende ihre Freizeit verbringen und eine starke emotionale Bindung haben. Zudem wird man als offen und auf der „Höhe der Zeit“ wahrgenommen. Durch den noch vorhandenen Seltenheitswert ergeben sich dadurch gewisse Aha-Momente, wenn sich eine Marke in diesem Umfeld platziert.
Darüber hinaus erreichen Marketingmaßnahmen in anderen Bereichen (z. B. TV oder Radio) durch ein verändertes Mediennutzungsverhalten der Rezipierenden teilweise nicht mehr den gewünschten Effekt. Für bestimmte Zielgruppen sind die bekannten Maßnahmen sogar gänzlich ungeeignet. Vor allem bei jüngeren Zielgruppen erfordert das veränderte Mediennutzungsverhalten neue Ideen und Kanäle, wenn diese durch bisherige Marketingmaßnahmen nicht mehr vollständig erreichbar sind.
Gaming-Events als Recruiting-Plattform nutzen
Auch Werbung in Spielen könnte in Zukunft ein neuer Kanal werden. Beispiele wären hier die FIFA-Reihe oder Mario Kart. Andere Spiele könnten sicherlich ähnliche Möglichkeiten bieten, wenn sich Spielehersteller und Marken an einen Tisch setzen würden.
Als letzte Möglichkeit, die ich hier vorstellen möchte, bietet sich für Unternehmen, die auf der Suche nach neuen Talenten sind, das Sponsoring und Veranstalten von Gaming Events an. Von internationalen Messen wie der Gamescom bis hin zu lokalen Events oder Finals, auf denen sich zehntauschende Menschen tummeln und es oftmals Livestreams gibt, lassen sich zahlreiche Variationen von Branding-Paketen einbinden. Bezogen auf Recruiting-Impulse könnten Arbeitgeber Turniere organisieren, auf denen sich potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten sowie Mitarbeitende in Teams zusammenschließen. Sie können sich kennenlernen und „Vibes“ austauschen sowie einen kulturellen Abgleich/Match machen. Passt der Mensch neben mir als Arbeitskollege oder Arbeitskollegin? Wie positioniert sich das Unternehmen auf der Veranstaltung? Im Gegensatz zu typischen HR-Messen bietet sich in diesem Umfeld eine völlig andere Atmosphäre, um mit Kandidaten und Kandidatinnen bzw. Bewerbenden in Kontakt zu treten.
Mitarbeiterbindung: Der „Firmenlauf“ als Gaming-Turnier

In Zeiten des Fachkräftemangels ist es für Unternehmen nicht nur erfolgsentscheidend, die passenden Mitarbeitenden zu rekrutieren, sondern diese auch langfristig zu binden. Auch in diesem Bereich bietet sich das Thema Gaming als Möglichkeit an, um den Mitarbeitenden Wertschätzung entgegenzubringen und ihr Hobby auch im Unternehmen erlebbar zu gestalten. Zum Beispiel können Unternehmen im Rahmen von Team-Events kleine Turniere und Wettkämpfe organisieren (z. B. Mario Kart oder FIFA) und den kollegialen Austausch fördern: Spielende in bunt gemischten Teams treten gegeneinander an (inkl. Zuschauenden und Fans). Dies fördert nicht nur das Teambuilding, sondern hilft auch teamübergreifend Mitarbeitende besser miteinander zu vernetzen.
Der Support für den Aufbau einer internen Gaming Community ist eine andere Option, die zielgerichtet von der Personalabteilung begleitet werden kann. So kann man kleinere Events organisieren, bei denen man gemeinsam Sport treibt. Viele Unternehmen unterstützen bereits eine Fitnessclub-Mitgliedschaft, organisieren Laufveranstaltungen oder helfen beim abendlichen Fußballkick.
Das alles sind Maßnahmen, die nicht-monetäre Anreize schaffen und auf die Attraktivität der Arbeitgebermarke einzahlen. Events und Support, vor allem was eigene Hobbys betrifft, steigern die Bindung an den Arbeitgeber und das Zugehörigkeitsgefühl in einem nicht unerheblichen Maße.
Fazit: Neue Recruiting-Strategien als Imagegewinn für Unternehmen
Abschließend lässt sich festhalten, dass Gaming und E-Sports gerade im Recruiting viele Chancen bereithalten. Das Thema ist in Deutschland momentan nur bei wenigen Unternehmen präsent. Umso stärker wäre daher die Wahrnehmung, wenn man sich strategisch klug platziert – Möglichkeiten gibt es zur Genüge.
Arbeitgebende Unternehmen können sich auf diese Weise sehr breit positionieren oder dedizierte Zielgruppen für ihre Recruiting-Strategie ansprechen. Der Imagegewinn durch das Eintreten in die Lebenswelt der Gamerinnen und Gamer kann sehr positiv wahrgenommen werden. Dies sollte allerdings nicht kopflos angegangen werden. Das Thema Gaming muss ernst und aufrichtig im Unternehmen gelebt werden. Potenziellen Bewerbenden würde früher oder später auffallen, wenn sich alles als reine Recruiting-Fassade herausstellt.
Zu den aktuellen Zahlen des Hays Fachkräfte-Index gehts hier.