KI am Arbeitsplatz: Fluch oder Segen?

Bisher ist es mir gelungen, innerhalb von Sekunden Textabschnitte zu generieren, Präsentationen zu erstellen, Kunst oder Reisepläne zu entwerfen und unterschiedliche Aufgaben zuzuordnen – ganz einfach durch einen simplen Befehl. Die Möglichkeiten von KI scheinen unbegrenzt zu sein. Und ich gestehe, dass ich von den Resultaten in den allermeisten Fällen tief beeindruckt bin.
Doch wenn generative KI alles kann, was wir von ihr verlangen – wie lange dauert es dann noch, bis sie unsere Arbeit übernimmt?
Die Wahrheit ist: Auf Fragen wie diese fehlen uns noch die Antworten. Generative KI entwickelt sich kontinuierlich weiter, und die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben, sind sowohl aufregend als auch beängstigend. Einige der klügsten Köpfe der Welt prognostizieren eine wahrhaftige Flut von Möglichkeiten. Andere wiederum fordern nachdrücklich einen Forschungsstopp, damit die Gesellschaft die Auswirkungen, die sich durch KI ergeben, erst einmal analysieren kann. Eines aber wissen wir heute schon mit Sicherheit – nämlich, dass sich Arbeitsplätze direkt vor unseren Augen durch KI bereits unwiderruflich verändern.
Aber ist das nun gut oder schlecht?
Kann KI die langweiligen Aufgaben eines Jobs übernehmen?
Anstatt uns von KI bedroht zu fühlen, sollten wir vielmehr die Chancen der KI am Arbeitsplatz mutzen. Spezielle Fachkenntnisse werden immer gefragt sein – doch generative KI kann den langweiligen, zeitintensiven Part unserer Arbeit übernehmen. Somit bleibt uns mehr Zeit für die interessanteren Aufgaben, die das menschliche Gehirn so gut beherrscht: kreatives und strategisches Denken beispielsweise oder auch die – von der Position unabhängige – Weiterentwicklung unserer Unternehmen. Das klingt ungeheuer vielversprechend – und es ist eine Einschätzung, die auch OpenAI-Mitbegründer Greg Brockman teilt. In einem Interview wies er kürzlich darauf hin, dass es KI bisher nicht gelungen sei, einen Job in vollem Umfang zu übernehmen. „Wir Menschen sind weitaus leistungsfähiger, als wir es uns selbst zutrauen“, so Brockman. Ich persönlich glaube, dass wir obendrein auch anpassungsfähiger sind.
KI hat das Potenzial, die Produktivität von Mitarbeitenden zu steigern. Vor diesem Hintergrund ist die Integration von KI eine Chance, die sich viele Unternehmen nicht entgehen lassen können. In meinem aktuellen Blogeintrag möchte ich Ihnen zeigen, wie KI Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen und produktiver machen kann. Zu diesem Zweck werde ich aufzeigen, wie sich die neue Welle der Automatisierung auf bestimmte Wirtschaftszweige auswirkt.
Vier Branchen, die von KI profitieren
Rechnungswesen und Finanzen
Fachleute im Finanzwesen nutzen ChatGPT, um mithilfe des Plug-ins für Microsoft Excel Berechnungsformeln zu erstellen. Bloomberg beschäftigt sich außerdem aktuell mit der Entwicklung eines eigenen umfangreichen, sprachbasierten Tools, das bei verschiedenen Aufgaben im Finanzwesen eingesetzt werden soll. Die naheliegendsten Anwendungsbereiche dafür sind Analyse- und Beratungsdienstleistungen. Mit der richtigen Aufforderung kann die KI etwa Reports zusammenstellen oder auf Informationen für Aussagen zugreifen.
Das heißt aber nicht, dass Fachkräfte zukünftig überflüssig sein werden. KI gibt uns die Möglichkeit, sofort auf Informationen aus einem riesigen Daten-Pool zuzugreifen. Dadurch können wir uns darauf konzentrieren, auf Grundlage dieser Informationen besser abgestimmte Entscheidungen zu treffen.
Übernimmt die KI sich wiederholende oder eintönige Aufgaben, bleibt den menschlichen Fachkräften mehr Zeit, um sich anderen Aufgaben zu widmen. Diese Zeit lässt sich sinnvoll für die Weiterentwicklung von Soft Skills einsetzen. So können wir beispielsweise Lösungen für Probleme entwickeln, mit der die KI (noch) überfordert ist oder Beziehungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens aufbauen.
Bauwesen und Immobilien

Architekt John W. Lynch hatte über seine Erfahrung geschrieben, als er einen Entwurf für eines seiner Gebäude mit ChatGPT diskutierte: „Ich hatte weder Angst, dass die Möglichkeiten der Automatisierung meine Arbeit überflüssig machen könnten noch habe ich ChatGPT als bequemes Mittel zur Kostensenkung wahrgenommen“, so der Architekt. „Vielmehr ging ich mit einem Ideenschub und dem Gefühl nach Hause, eine neue Perspektive gefunden zu haben.“ Es geht also nicht darum, Architekturschaffende zu ersetzen. Vielmehr ist das Ziel, die Maschine als Quelle der Inspiration zu nutzen.
KI bietet aber auch noch ganz andere Anwendungsmöglichkeiten. Togal.AI zum Beispiel ist ein Tool, mit dem Bauunternehmen ihre Kalkulationen optimieren können. Dazu werden Bauzeichnungen analysiert und Anpassungen automatisch per Eingabeaufforderung vorgenommen – eine Aufgabe, die sonst langwierig Klick für Klick erledigt werden müsste.
Im Hinblick auf Compliance hat die generative KI nicht nur das Potenzial, Verstöße gegen Bauvorschriften zu erkennen, sondern kann auch gleich entsprechende Korrekturmaßnahmen anbieten. Dennoch sind Menschen mit Fachkenntnissen erforderlich, um die Technologie zu überwachen und zu aktualisieren. Mit anderen Worten: Professionelle Arbeitskräfte spielen noch immer eine wichtige Rolle.
Customer Service
In der Kundenbetreuung hatten fast alle von uns bereits mit KI zu tun, ob wir es wissen oder nicht. Fragen an einen Online-Chatbot zu richten, der uns dann mit den gewünschten Informationen versorgt, gehört längst zum Alltag. Und wenn alles andere nicht funktioniert, leitet uns die Maschine an einen Menschen weiter, der uns bei unserem konkreten Anliegen helfen kann.
Letztendlich handelt es sich bei ChatGPT und Googles Bard um weiterentwickelte Versionen der Chatbots, die man inzwischen auf jeder Verbraucher-Website findet. Allerdings werden die Fortschritte bei der Verwendung komplexer Sprache und die Fähigkeit, unsere Fragen zu verstehen, in Zukunft aller Voraussicht nach zu einem noch reibungsloseren Nutzererlebnis führen. Und wenn Probleme schneller gelöst werden, steigt auch die Kundenzufriedenheit.
Wir können jedoch keinen Vorteil aus diesen positiven Aspekten ziehen, wenn es keine Menschen gibt, die sich um diejenigen Anfragen kümmern, die die KI nicht bearbeiten kann. Um solche unbefriedigenden Kundenerfahrungen in Support-Zentren zu vermeiden, bedarf es noch immer einer menschlichen Komponente.
Doch nicht nur Kundinnen und Kunden erhalten Unterstützung durch KI. Auch Customer-Service-Agents bieten sich immer mehr Möglichkeiten, mithilfe von KI-Tools ihre Dienstleistungen zu verbessern. In einem Artikel von McKinsey heißt es dazu: „Ein neu konzipiertes KI-gestütztes Kundenservice-Modell berücksichtigt daher alle Touchpoints – nicht nur digitale Self-Service-Kanäle, sondern auch von Agents begleitete Optionen in Filialen oder auf Social-Media-Plattformen. Dort kann KI die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Echtzeit unterstützen, um qualitativ hochwertige Ergebnisse zu erzielen.“
Technologie
Oft heißt es, dass die größte Schwachstelle in der Cybersicherheit eines Unternehmens nicht bei Maschinen liegt, sondern bei durch Menschen verursachten Fehlern. Mithilfe eines KI-Modells, das aus den Daten der Beschäftigten lernt, können Sicherheitsteams jetzt Handlungen vorhersagen und eindämmen, die zu kostspieligen Sicherheitsverletzungen führen könnten. Microsoft Copilot unterstützt Sicherheitsteams schon jetzt in vielerlei Hinsicht und ermöglicht so schnellere Reaktionen und Präventionsmaßnahmen.
In einer der eindrucksvollsten Demonstrationen anlässlich des Starts von GPT-4 zeigte OpenAI, wie ChatGPT eine Website auf Grundlage einer Zeichnung erstellt, die auf einer Papierserviette angefertigt wurde. Was aber bedeutet das für heutige Softwareentwicklerinnen und -entwickler? Dank generativer KI können Nachwuchskräfte in diesem Bereich bessere Ergebnisse erzielen, während sie erfahrenen Fachkräften Zeit bei der Fehleranalyse spart und sie sich stärker auf die strategischen Aspekte ihrer Aufgaben konzentrieren können.
Ähnlich wie in der Finanzbranche könnte dies den Aufgabenbereich grundlegend verändern. „Wenn KI 70 bis 90 Prozent des notwendigen Codes generieren kann, reduziert das die mühsamen Aspekte der Entwicklung deutlich“, prognostiziert der erfahrene Programmierer Corey Gaspard. „Der Schwerpunkt der Softwareentwicklung wird sich mehr auf das Verständnis der Architektur, der Frameworks, der Integration und der Strategien zur Markteinführung von Anwendungen verlagern.“
KI-Integration ins Unternehmen: Drei Fragen, die man sich stellen sollte
Es ist davon auszugehen, dass generative KI sehr bald auch Ihr Unternehmen beeinflussen wird – sollte dies nicht schon längst der Fall sein. In Anbetracht ihrer stetig wachsenden Fähigkeiten ist es durchaus lohnenswert, darüber nachzudenken, in welcher Form Ihre Beschäftigten von KI profitieren können.
- Inwiefern werden Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sein? Einige Menschen glauben, dass der Einsatz von KI zu einem Abbau von Personal führen wird. Als Führungskräfte müssen wir darüber nachdenken, wie wir ethisch und verantwortungsbewusst handeln können, indem wir sicherstellen, dass wir alle eine Rolle in dieser Entwicklung spielen können.
- Was dürfen wir KI anvertrauen? Wir sollten nicht vergessen, dass jede Information, die man mit ChatGPT teilt, gespeichert und aufbewahrt wird. So wird das Modell kontinuierlich verbessert. Vor diesem Hintergrund ist es nicht ratsam, vertrauliche, persönliche oder sonstige schützenswerte Informationen einzugeben. KI-Tools sollten ausschließlich eingesetzt werden, um die persönliche Produktivität zu steigern – nicht, um Entscheidungen zu treffen. Gehen Sie deshalb verantwortungsbewusst mit Ihren Daten um und sorgen Sie dafür, dass auch Ihre Mitarbeitenden keine sensiblen Informationen offenlegen. Schon heute gibt es eine interessante Debatte darüber, wie Unternehmen mit großen Datenbeständen sicherstellen können, dass diese nicht in den Besitz externer KI gelangen. Stehen wir also an der Schwelle zu einer Welt, in der sich Unternehmen zunehmend hinter Firewalls zurückziehen werden? Höchstwahrscheinlich wird das so sein – denn die Menschen versuchen verständlicherweise, die Dinge zu schützen, die sie besitzen und die einen Wert darstellen.
- Durch KI wird Ihren Mitarbeitenden mehr Zeit zur Verfügung stehen. Wie können Sie sie dabei unterstützen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen und Ihr Unternehmen voranzubringen? Viele befürworten die Einrichtung einer „Analytics Academy“. Im Gegensatz zum „Ad-hoc-Ansatz“ handelt es sich dabei um ein internes Schulungsprogramm, das der Belegschaft dabei helfen soll, Fachkenntnisse – zum Beispiel als Analytik-Übersetzer („Analytics Translator“) – zu entwickeln, um so den Anforderungen des Unternehmens im KI-Bereich gerecht zu werden.
Die rasanten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz in den letzten Monaten stellen zweifelsohne einen historischen Wendepunkt dar. Uns muss klar sein, dass KI nicht einfach wieder verschwinden wird. Sie ist gekommen, um zu bleiben – und sie wird sich auf unsere Leben, Karrieren und Unternehmen auswirken.