Arbeitswelt & Karriere

Wa­r­um den­ken viele An­ge­stell­te über einen Job­wech­sel nach?

Das war’s! Viele Arbeitnehmer haben genug: genug von den ständigen Teams-Calls, genug davon, sich beruflich nicht weiterentwickeln zu können, genug von Überlastung und fehlender Unterstützung durch ihre Arbeitgeber. Untersuchungen legen nahe, dass eine Rekordzahl von Menschen überall auf der Welt Kündigungsgedanken hegt und über einen Jobwechsel nachdenkt.

Sieben Gründe, weshalb so viele Menschen eine Kündigung in Erwägung ziehen

Laut Microsoft Work-Trend-Index 2021 denken ganze 41 Prozent der Befragten darüber nach, innerhalb des nächsten Jahres ihre Arbeitsstelle aufzugeben. Warum denken so viele Angestellte über einen Jobwechsel nach? Der Unternehmenspsychologe Dr. Anthony Klotz bezeichnet das Phänomen deshalb aus gutem Grund als „The Great Resignation“ – zu Deutsch etwa „das große Kündigen“. Wie bei anderen „großen“ Ereignissen im Laufe der Geschichte, z. B. bei der „Großen Rezession“ oder der „Großen Depression“, könnte dies verheerende Auswirkungen haben.

Falls Sie ein Unternehmen leiten, dann bedeutet das für Sie, dass möglicherweise knapp die Hälfte Ihrer Belegschaft gerade jetzt darüber nachdenkt, Ihrer Firma den Rücken zu kehren. Wie würde sich das auf Ihre Wachstumspläne auswirken? Wie auf Ihre Kunden oder Ihre wirtschaftliche Existenz? Gerade noch dachten Sie, Ihr Unternehmen hätte die schlimmsten Auswirkungen der Corona-Pandemie gemeistert – und nun laufen Sie Gefahr, Ihr wertvollstes Kapital zu verlieren.

Gehen wir einmal den Gründen dieser beispiellosen Abwanderungsbereitschaft nach. Eine wichtige Anmerkung jedoch vorab: Einiges deutet darauf hin, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen einer Kündigung scheinbar offener gegenüberstehen als andere. Eine Erklärung liefert Rashida Kamal in der britischen Tageszeitung Guardian: Sozioökonomische Unterschiede bestimmen häufig, wer seinen Job kündigt – und weshalb.

  • Arbeiter und Angestellte: Sandra Sucher, Professorin an der Harvard Business School und Autorin des Buches „The Power of Trust“ stellt fest, dass Beschäftigte im Niedriglohnsektor besonders motiviert sind, den Arbeitsplatz zu wechseln. Das gilt auch, wenn sie nur ein geringfügig besseres Angebot erhalten. In einem BBC-Artikel heißt es dazu: „Viele Beschäftigte im Einzelhandel und im Dienstleistungssektor verlassen ihr Unternehmen zugunsten von Einstiegspositionen in anderen Bereichen, z. B. in Lagern oder Büros. Diese sind möglicherweise schlechter bezahlt, bieten aber bessere Sozialleistungen, Aufstiegsmöglichkeiten und mehr Anerkennung. Da überall Arbeitgeber auf der Suche nach neuen Mitarbeitern sind, sehen es viele Menschen nicht als Problem an, eine andere Stelle zu finden.“
  • Generation Z: Die bereits erwähnte Studie Microsoft Work-Trend-Index 2021 ergab, dass wohl 54 Prozent der Arbeitnehmer aus der Generation Z über einen Jobwechsel nachdenken. Die Untersuchung hebt außerdem die Tatsache hervor, dass „... die Generation Z Schwierigkeiten hat, sich für die Arbeit zu begeistern, in Meetings das Wort zu ergreifen und neue Ideen einzubringen.“
  • Arbeitnehmer und Führungskräfte in der Mitte ihres Berufslebens: Untersuchungen des Personalanalyseunternehmens Visier haben ergeben, dass in der Gruppe der 30- bis 45-jährigen Arbeitnehmer die Zahl der Kündigungen zwischen August 2019 und August 2020 stark angestiegen ist. Dies deutet darauf hin, dass diejenigen, die in ihrer beruflichen Karriere bereits weiter fortgeschritten sind, eher einen Arbeitsplatzwechsel in Betracht ziehen. Außerdem war die Zahl der Kündigungen von Führungskräften im Dezember 2020 um 12 Prozent höher als im Vorjahr.

Was also steckt hinter dieser prognostizierten Massenabwanderung von Arbeitskräften? Was veranlasst eine so große Zahl von Menschen dazu, ihre Arbeitsstelle aufzugeben?

1. Sie fühlen sich auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz wieder sicherer

Laut Anthony Klotz, Associate Professor of Management an der Mays Business School der Texas A&M University, ist einer der Gründe die COVID-19-Pandemie. Demnach haben Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz bereits vor der Corona-Krise aufgeben wollten, ihre Pläne aufgrund der entstandenen Unsicherheit zunächst verschoben. Nun aber nehmen sie die Arbeitssuche mit neuem Elan wieder auf. Infolgedessen löst sich der Rückstau an Kündigungen, der in den vergangenen 18 Monaten entstanden ist.

Diese Entwicklung kann kaum überraschen. Mit den weltweit steigenden Impfraten und der wirtschaftlichen Erholung erleben wir nicht nur einen dramatischen Wandel auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch eine Rückkehr zu mehr Selbstbewusstsein bei der Jobsuche fast überall auf der Welt. Dieser Meinung ist auch Neil Carberry, Geschäftsführer der britischen Recruitment and Employment Confederation (REC): „Der Arbeitsmarkt verbessert sich so schnell wie nie zuvor. Dennoch befinden wir uns nach wie vor in schwer auszurechnenden Zeiten.“ Aus einer britischen Studie von Hays geht hervor, dass 63 Prozent der Arbeitgeber derzeit neue Mitarbeiter einstellen. Es gibt also so viele Möglichkeiten für einen Jobwechsel wie schon lange nicht mehr. Viele Menschen glauben deshalb, dass nun der richtige Zeitpunkt für die Kündigung gekommen ist.

2. Sie hatten ausreichend Zeit, über ihr persönliches und berufliches Leben nachzudenken

Wer nicht schon vor der Pandemie darüber nachgedacht hat, sich nach einer neuen Stelle umzusehen, tut es mit großer Wahrscheinlichkeit jetzt. Laut unserer jüngsten LinkedIn-Umfrage unter mehr als 25.000 Personen gaben 74 Prozent an, dass die Pandemie sie dazu veranlasst hat, ihre Berufs- oder Karrierewahl zu überdenken.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele Menschen fühlten sich von ihren Arbeitgebern, laut einer Microsoft Studie, nicht ausreichend unterstützt. Andere wiederum – so argumentieren die Verfasser – sahen sich gezwungen, sich mit ihrer eigenen Sterblichkeit auf eine bislang ungekannte Art und Weise auseinanderzusetzen. So oder so fanden sie während der Pandemie ausreichend Zeit, über ihr persönliches und berufliches Leben nachzudenken.

Wie im ‚Hello Monday‘-Podcast von LinkedIn erläutert wird, haben viele Menschen eines erkannt – nämlich, dass das Leben einfach zu kurz ist, um einem Job nachzugehen, der sie nicht glücklich macht. Das gilt erst recht, wenn sie diesen Job bei einem Unternehmen ausüben, von dem sie sich nicht wertgeschätzt fühlen.

3. Sie wollen nicht zurück ins Büro – nie wieder!

Der Arbeitsalltag der vergangenen 18 Monate bedeutete für viele von uns, Aufgaben von zu Hause aus erledigen zu können – und zu den Zeiten, die für uns am besten passen. Umso schwerer fällt es nun, diese Freiheiten zugunsten eines „regulären“ 9-to-5-Jobs im Büro aufzugeben. Dazu kommt die Tatsache, dass viele Berufstätige bereits umgezogen sind (oder dies planen), um näher bei ihren Familien zu sein. Alles zusammen stellt für viele Menschen einen Grund dar, ihren Arbeitsplatz zu kündigen. Dies spiegelt sich auch im Microsoft Work-Trend-Index 2021 wider: Darin gaben 46 Prozent der Befragten an, dass sie angesichts der Möglichkeit der Remote-Arbeit wahrscheinlich umziehen werden.

Aber ist die Rückkehr ins Büro – wenigstens für einen Teil der Zeit – wirklich so schlimm, wie es sich viele offenbar ausmalen? Immerhin entdecken zahlreiche Menschen (mich eingeschlossen) derzeit ein neues Gefühl der Verbundenheit mit ihren Kollegen, die sie über ein Jahr nicht gesehen haben. Meiner Meinung nach müssen sowohl unsere eigenen vier Wände als auch unsere Büros die Möglichkeit bieten, ein erfülltes Arbeitsleben zu führen. Ich verstehe aber natürlich, dass diese Ansicht nicht alle teilen.

4. Sie sind ausgebrannt

Wir alle wissen, dass Burnout ein ernstzunehmendes und weit verbreitetes Problem ist. Laut Microsoft Work-Trend-Index 2021:

  • sind 37 Prozent der Arbeitnehmer weltweit der Meinung, dass ihre Unternehmen in Zeiten wie diesen zu viel von ihnen verlangen
  • glaubt jeder Fünfte, dass seinem Arbeitgeber die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gleichgültig ist
  • fühlen sich 54 Prozent überlastet und 39 Prozent erschöpft
  • sendet der durchschnittliche Microsoft-Teams-Benutzer 42 Prozent mehr Chats nach Feierabend, wobei 50 Prozent der User innerhalb von fünf Minuten auf Teams-Chats antworten

Microsoft führt aus, dass diese alarmierenden Statistiken „...die hohe Intensität des Arbeitstages und zugleich die Tatsache belegen, dass die Anforderungen an die Arbeitnehmer während dieser Zeit erheblich gestiegen sind“. Dem muss ich zustimmen: Es ist kein Wunder, dass so viele Menschen ihre Arbeitsmöglichkeiten derzeit überdenken.

Die Technologie hat es uns allen ermöglicht, unsere Arbeit auch während der Pandemie fortzusetzen und unsere Volkswirtschaften und Gesellschaft in den letzten 18 Monaten vor dem totalen Zusammenbruch zu bewahren. Wie hätte man eine globale Pandemie wohl vor 20 Jahren bewältigt – ohne Teams und Zoom, ohne schnelles Internet, ohne Online-Banking und -Einkaufsmöglichkeiten, ohne Handys, ohne Netflix und dergleichen? Die Technologie war unsere Rettung. Doch zugleich hat sie die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verwischt, und das hohe Maß an Burnout-Fällen und Erschöpfungszuständen unter Berufstätigen ist kaum noch tragbar.

5. Sie möchten ihre berufliche Entwicklung vorantreiben

Jeder Mensch möchte das Gefühl haben, auf dem Weg zu persönlichem Wachstum und Erfolg voranzukommen. Dabei handelt es sich um ein angeborenes menschliches Bedürfnis. Das Problem: Viele Menschen haben dieses Gefühl schon lange nicht mehr verspürt.

Stattdessen haben zahlreiche Mitarbeiter ihre persönliche Entwicklung auf Eis gelegt. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, die Unternehmen, für die sie arbeiten, über Wasser zu halten. Das Thema Weiterbildung verschwindet allzu oft aus dem Blickfeld und wird zu einer Angelegenheit, die eben warten muss – vielleicht bis morgen, vielleicht bis zum nächsten Monat, vielleicht auch bis zum nächsten Jahr.

Doch diese Haltung ändert sich allmählich. Laut einer Studie von Axios sorgen sich hochqualifizierte Arbeitnehmer am meisten um das berufliche Weiterkommen in ihrem aktuellen Job. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass die Pandemie sie dazu gebracht habe, ihre Qualifikationen zu hinterfragen.

Viele haben das Gefühl, dass ein Wechsel des Arbeitsplatzes die einzige Möglichkeit ist, um ihre Ziele zu verwirklichen. Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei um eine völlig vermeidbare Problematik, die die Arbeitgeber direkt angehen sollten. Es ist allgemein bekannt, dass die berufliche Weiterentwicklung ein entscheidender Faktor für das Engagement der Mitarbeiter ist. Ohne Förderung stellen sie ihre Arbeitskraft früher oder später anderen Unternehmen zur Verfügung. Und diejenigen, die bleiben? Die sind möglicherweise gar nicht so sehr an Ihrem Erfolg interessiert, wie Sie es sich wünschen.

6. Die finanzielle Motivation

Die Ersparnisse derjenigen, die während der Pandemie weitergearbeitet haben, sind mit großer Wahrscheinlichkeit gewachsen. Ohne Fahrtkosten, Feierabendgetränke oder Mahlzeiten im Restaurant haben viele Menschen bares Geld gespart. Dieses finanzielle Polster führt nun dazu, dass sie sich selbstbewusster fühlen. Vielleicht wagen sie dadurch einen Umzug oder kündigen sogar, ohne einen neuen Arbeitsplatz in Aussicht zu haben. Die finanzielle Freiheit verschafft ihnen mehr Spielraum, um die für sie richtigen beruflichen Entscheidungen zu treffen.

Darüber hinaus sorgen Vergleichsplattformen heute für mehr Transparenz als jemals zuvor. Mitarbeiter können dadurch besser einschätzen, welches Gehalt sie mit ihren individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen erzielen können. Diejenigen, die sich für einen Umzug entscheiden (und insbesondere diejenigen, die in den Bereichen Technologie oder Life Sciencestätig sind) können gar mit Gehaltszuwächsen von 15 bis 20 Prozent rechnen. Ich bin überzeugt davon, dass diese Zahlen mit für die Bewegungen verantwortlich sind, die wir derzeit auf dem Markt beobachten.

7. Sie haben gemerkt, dass ihre Arbeit ihnen eigentlich keinen Spaß macht

Durch die Pandemie waren viele Menschen gezwungen, ihre Arbeit von zu Hause aus zu erledigen. Das bedeutete mehr Freiheiten, aber auch das Fehlen willkommener Ablenkungen und kollegialen Gemeinschaftsgefühls. Im Zuge dessen haben zahlreiche Berufstätige festgestellt, dass ihnen ihre tägliche Arbeit schlicht keinen Spaß bereitet.

Es kommt erschwerend hinzu, dass sich viele trotz der ständigen Teams-Anrufe und -Chats von ihren Kollegen, Vorgesetzten und dem gesamten Unternehmen abgekoppelt fühlen. „Viele haben das Gefühl der Verbundenheit zu ihrem Arbeitsplatz verloren“, erklärt Cassie Whitlock, Leiterin Human Resources bei BambooHR. „Selbst wenn Mitarbeiter Zeit mit ihren Vorgesetzten verbringen, gibt es weniger Interaktionen und die Qualität des Austauschs leidet. Es kommt kein echtes Verbindungsgefühl auf. Die Menschen fühlen sich weniger gesehen, anerkannt und wertgeschätzt.“

Infolgedessen entscheiden sich immer mehr Menschen dazu, sich selbständig zu machen und ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Nach Angaben des National Bureau of Economic Statistics in Massachusetts liegt die Zahl der neuen Geschäftsanmeldungen seit Mitte 2020 so hoch wie nie zuvor. Auch die Zahl der Nebenjobs hat im Laufe der Pandemie zugenommen. Dies spiegelt sich auch im Microsoft Work-Trend-Index 2021 wider. Die Untersuchung ergab, dass 46 Prozent der Befragten einen größeren Karrierewechsel planen.

Soweit die Fakten. Glauben Sie, dass „das große Kündigen“ tatsächlich stattfinden wird? Oder stecken wir schon mittendrin?

Haben Sie vielleicht vor, selbst zu kündigen? Und falls ja: Was sind Ihre Beweggründe? Oder umgekehrt: Was tun Sie als Führungskraft, um Arbeitskräfte zu halten? Welche Lehren haben Sie aus der Pandemie gezogen, die Sie dabei unterstützen?

Wir bei Hays setzen uns bewusst mit diesen Herausforderungen auseinander, um in Zukunft ein besseres Unternehmen für alle zu schaffen. Natürlich ist dies keine einfache Aufgabe – denn es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte zu berücksichtigen.

Alistair Cox

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