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Die En­er­gie­wen­de wird ein klei­nes Job­wun­der voll­bring­en

Nicht nur in der Natur, auch in der Wirtschaft grünt es zunehmend: Green Economy und Green Business sind in aller Munde. Green Skills, also die Fähigkeiten und Kenntnisse, die es braucht, um Produkte, Services und Prozesse auf die Herausforderungen des Klimawandels auszurichten, sind gefragt wie nie. Das zeigt auch eine von Hays durchgeführte Analyse, die unter anderem die Zahl der Stellenausschreibungen im Bereich erneuerbare Energien untersucht hat. HaysWorld hat Lars Janßen, Account Director für die beiden größten deutschen Energieversorgungsunternehmen sowie Experte der Energiebranche bei Hays, zum Zukunftstrend Green Skills befragt.
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In Deutschland ist die Zahl der Stellen im Bereich erneuerbare Energien zwischen 2019 und 2021 von 28.900 auf 71.500 und damit um 147 Prozent gestiegen. Wie erklärt sich dieser Boom?

Lars Janßen

Laut Angabe des Statistischen Bundesamtes lag im Sommer 2021 der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromeinspeisung in Deutschland bei 43,1 Prozent. Durch den Kohleausstieg, die staatliche Förderung erneuerbarer Energien und die aufgrund der aktuellen politischen Lage entstandenen Notwendigkeit, schneller von fossilen Energiequellen unabhängig zu werden, wird dieser Anteil weiter steigen – und damit auch die Zahl der Stellen in diesem Sektor. Zumal hier gerade neue Berufsbilder wie zum Beispiel im Bereich Servicetechnik für Windenergie oder Energiemanagement entstehen. Im Letzteren werden Unternehmen oder private Haushalte zu ihrer Dekarbonisierung beraten. Ich bin mir sicher: Die Energiewende wird ein kleines Jobwunder vollbringen.

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Welche Rollen sind hier besonders gefragt?

Lars Janßen

Das sind Rollen entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Energiesektor – von der Energieerzeugung über ihre Speicherung und Einspeisung ins Netz bis hin zum Energiehandel und -vertrieb. Gesucht werden zum Beispiel On- und Offshore-Fachkräfte, die Fundamente für Windparks errichten können. Es braucht Fachleute für Projektentwicklung, die geeignete Flächen für den Bau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen identifizieren und den Prozess bis zur Baugenehmigung vorantreiben. Wichtig sind darüber hinaus Projektmanagerinnen und -manager, die sich um die Planung und den Bau dieser Anlagen kümmern. Um den Strom aus den Windparks für alle zugänglich zu machen, müssen Netze ausgebaut und Nord-Süd-Trassen angelegt werden. Hier kommen Expertinnen und Experten aus den Ingenieurwissenschaften und dem Tiefbau ins Spiel. Gefragt sind aber auch IT-Fachkräfte aus den Bereichen Softwareentwicklung, Architektur und allen voran IT-Sicherheit.

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Kann dieser Bedarf in Zeiten des akuten Fachkräftemangels überhaupt gedeckt werden?

Lars Janßen

Der Energiesektor ist aktuell von einer Unterdeckung bedroht, die ein Risiko für die gesamte Energiewende darstellt. Denn die ambitionierten Ausbauziele der erneuerbaren Energien sind nicht nur durch die langwierigen Vergabeverfahren, sondern vor allem durch die fehlenden Fachkräfte gefährdet, die diese Pläne umsetzen sollen. Aus diesem Grund setzen immer mehr Energieversorgungsunternehmen auf Nearshoring-Lösungen, das heißt, sie sehen sich – auch mit unserer Hilfe – im Ausland um. So haben einige damit begonnen, Spezialistinnen und Spezialisten für Offshore-Windparks aus Großbritannien oder Skandinavien zu rekrutieren. Denn diese Fachkräfte bringen wertvolles Know-how aus dem Bau von Ölplattformen mit. Osteuropa und Indien bieten einen wertvollen Fundus an gut ausgebildeten und dringend gesuchten Expertinnen und Experten für Softwareentwicklung und IT-Architektur.

Um dem Fachkräftemangel bei den erneuerbaren Energien wirkungsvoll zu begegnen, sollte darüber hinaus eine Wende in der Ausbildung vollzogen werden. Zwar bieten Universitäten neue Studiengänge für die regenerativen Energien an, doch gilt es, die MINT-Fächer noch viel stärker zu fördern und besonders für Studentinnen attraktiver zu machen. Auch die Energiebranche muss hier noch Hausaufgaben machen. So hat sie wohl eigene Ausbildungsprogramme entwickelt, übersieht aber häufig noch das Potenzial, das im Thema Upskilling und Reskilling steckt. Ich denke hier insbesondere an die Golden Ager aus der Kohleverstromung mit ihrem umfassenden Wissen über die Energieerzeugung. Diesen Wissensschatz sollte man durch entsprechende Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gezielt für den Bereich erneuerbare Energien nutzen.

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Nachhaltige Berufe, sogenannte Green-Collar-Jobs, sind stark im Kommen. Auf die Energiebranche bezogen: Welche Green-Collar-Jobs zeichnen sich am Horizont ab?

Lars Janßen

Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) der Vereinten Nation geht davon aus, dass in der Green Economy bis zum Jahr 2030 über 24 Millionen neue Jobs entstehen werden. Im Bereich erneuerbare Energien gehören dazu neben den oben genannten Skills sicherlich Berufe wie Standortmanagement für E-Mobility, um gemeinsam mit Kommunen, dem Einzelhandel und Immobilienunternehmen den Ausbau der Ladesäulenstruktur voranzutreiben. Auch Meteorologinnen und Meteorologen werden gesucht sein, denn die Betreiberfirmen großer Windparks benötigen exakte Wetterprognosen, wenn sie ihre Anlagen rechtzeitig herauf- oder herunterfahren wollen. Darüber hinaus entstehen gerade völlig neue Berufsbilder rund um das Thema „Smart City“, wo es darum geht, unsere Städte mithilfe von Digitalisierung und neuen Technologien effizienter, nachhaltiger und lebenswerter zu gestalten. Das Gleiche gilt für den Megatrend Wasserstoff als Speicher für überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien und als grüne Alternative zu Gas. Nicht zu vergessen, die Verkehrswende: Um die Dekarbonisierung des Verkehrs deutlich zu reduzieren, ohne unsere Mobilität einzuschränken, müssen wir uns natürlich noch viel stärker mit der Automatisierung und Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur, innovativen Mobilitätsdienstleistungen, neuen Antriebstechnologien sowie einer intelligenten Nutzung des ÖPNV beschäftigen. All das wird mit der Entwicklung neuer grüner Jobs und entsprechender Skills einhergehen. 

Lars Janßen ist Account Director für die beiden größten deutschen Energieversorgungsunternehmen sowie Experte der Energiebranche bei Hays

Alexandra Maier

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