Warum sich Unternehmen ernsthaft mit „Hybrid Hiring“ beschäftigen müssen

Als gesichert dürfte gelten, dass wir weiterhin flexibel genug sein müssen, um uns an die sich ständig verändernde Arbeitswelt anzupassen. Die Covid-19-Pandemie hat die gewohnten Arbeitsstrukturen quasi über Nacht auf den Kopf gestellt. Unternehmen mussten auf diese Veränderungen reagieren, um sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter effektiv von zu Hause aus arbeiten können. Für viele Menschen ist eine hybride Arbeitsweise deshalb in den vergangenen zwei Jahren zur Normalität geworden.
Neben dem hybriden Arbeiten wurde auch das sogenannte „Hybrid Hiring“ – die hybride Variante der Personalrekrutierung – zu einer immer wichtigeren Option. Das ist nicht verwunderlich: Warum sollten Unternehmen, die keine 24-Stunden-Büros unterhalten, ihre Bemühungen in der Personalbeschaffung ausschließlich auf die Stadt oder auch das Land beschränken, in dem sie ansässig sind?
Die Hays-Studie „Pandemic Implications for the World of Work“ („Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeitswelt“) hat festgestellt, dass Remote-Arbeit die Flexibilität sowohl für Arbeitskräfte als auch für arbeitgebende Unternehmen erhöht: Für die einen ergeben sich dadurch zukünftig mehr Möglichkeiten bei der Wahl des Arbeitsortes, für die anderen ein größerer Spielraum bei der Auswahl des Personals, da örtliche Gebundenheit kaum noch eine Rolle spielt. Darüber hinaus kann man über das Remote-Modell auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, die aus dem Ausland arbeiten (man spricht hier auch von „Telemigration“). Auf diese Weise können Unternehmen zum einen den Pool der ihnen zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte vergrößern, zum anderen bietet sich ihnen so die Möglichkeit, Personal zu niedrigeren Kosten einzustellen.
Dennoch scheinen zahlreiche Unternehmen bereits in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Aus dem „Remote Leadership Report“ von Terminal geht hervor, dass ein Fünftel aller Führungskräfte keine Strategie für die Suche nach Remote-Arbeitskräften verfolgt. Fast die Hälfte plant, sich bei der Rekrutierung hauptsächlich auf die Regionen um ihre Niederlassungen zu konzentrieren.
Das bedeutet, dass Unternehmen die Vorteile, die „Hybrid Hiring“ mit sich bringt, nicht nutzen. Doch worin bestehen diese Vorteile genau?

Die Vorteile des „Hybrid Hiring“
Bestehendes Personal halten, neue Mitarbeitende gewinnen. Die vergangenen zwei Jahre haben viele von uns dazu veranlasst zu überdenken, was wir vom Leben erwarten. Mehr Flexibilität im Job ist für zahlreiche Menschen wichtiger denn je. Für ein Unternehmen tätig zu sein, das diesen Wunsch nachvollziehen kann, ist dabei von entscheidender Bedeutung.
Im vergangenen Jahr habe ich in einem Blogbeitrag über das „Große Kündigen“ geschrieben. Darin beschäftigte ich mich mit dem Phänomen, dass Umfragen zufolge 41 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ernsthaft in Erwägung ziehen, ihren derzeitigen Job in den nächsten zwölf Monaten aufzugeben.
Im „Hays UK Salary Guide 2022“ haben wir außerdem festgestellt, dass 65 Prozent der Befragten geneigt wären, zu einem anderen Unternehmen zu wechseln, wenn sie dadurch mehr Flexibilität gewinnen. Wenn Unternehmen keinen greifbaren Beweis dafür erbringen, dass sie zumindest Pläne zur Errichtung eines hybriden Arbeitsmodells verfolgen, kann es für sie schwierig werden, bestehende Arbeitskräfte zu halten.
Auch eine Studie der Vlerick Business School in Belgien hebt die Bedeutung der Flexibilität hervor. Professorin Katleen de Stobbeleir erklärt darin: „Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und -zeiten ist gut für das Branding des Unternehmens, da sich jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Bereich mehr Entscheidungsfreiheit wünschen. Auch Arbeitskräfte in anderen Lebensphasen, etwa junge Eltern oder Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, stehen der Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, positiv gegenüber.“
Unternehmen, die nicht deutlich machen, dass sie eine hybride Arbeitskultur anstreben, schmälern nicht nur ihre Chancen, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten, sondern werden über kurz oder lang auch Schwierigkeiten bekommen, neues Personal für sich zu gewinnen. Clay Kellogg, CEO von Terminal, äußerte sich im Magazin Forbes dazu wie folgt: „Abgesehen von der Begrenzung des Bewerberpools und der Verlangsamung der Personalbeschaffung kann der Einstellungsprozess selbst potenzielle Arbeitskräfte abschrecken. Wenn die Option auf Remote-Arbeit als zweitrangig behandelt wird, nehmen die Kandidatinnen und Kandidaten dies wahr – und sind entsprechend weniger bereit, ein ihnen unterbreitetes Angebot anzunehmen.“
Mehr Flexibilität, eine bessere Work-Life-Balance und weniger Zeit- und Geldaufwand beim Pendeln: Das sind nur einige der Vorteile, die Remote-Arbeit mit sich bringt. Im März 2021 veröffentlichte Microsoft eine Studie, aus der hervorging, dass 73 Prozent der Teilnehmenden sich auch in Zukunft flexible Remote-Arbeitsmöglichkeiten wünschen. Im Work Trend Index 2021 heißt es: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen selbst bestimmen, wo, wann und wie sie arbeiten – und sie erwarten, dass Unternehmen ihnen diese Möglichkeiten bieten.“
Größere Pools an Arbeitskräften. Ein weiterer Vorteil des „Hybrid Hiring“ ist ein größerer Pool an Arbeitskräften, die für eine Einstellung infrage kommen. Wir beginnen das neue Jahr mit einem akuten Fachkräftemangel in zahlreichen Berufsfeldern. Es gibt schlicht nicht genug Menschen mit den richtigen Fähigkeiten, um die offenen Vakanzen von heute und morgen zu besetzen. In einem Blogbeitrag habe ich mich bereits mit Maßnahmen auseinandergesetzt, die wir als Führungspersonen ergreifen können, um diese Qualifikationslücke zu schließen.
Wenn Personalverantwortliche den Kreis von Bewerberinnen und Bewerbern auch für Menschen öffnen, die sich außerhalb der Pendelentfernung zu ihrem Büro befinden, wächst die Zahl potenzieller Arbeitskräfte enorm. Dies wiederum kann einen echten Mehrwert für Unternehmen darstellen.
Wagestream, ein schnell wachsendes FinTech-Unternehmen, hat festgestellt, dass vor der Pandemie 85 Prozent seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in London tätig waren. In einem Artikel des London Evening Standard aus dem November 2021 wurde diese Zahl nur noch auf 50 Prozent beziffert.
Natürlich gibt es im Zusammenhang mit „Hybrid Hiring“ auch Herausforderungen (siehe Hays-Bericht „Pandemic Implications for the World of Work“). So können Regulierungen, steuerliche Aspekte, Bedürfnisse der Kundenunternehmen, unterschiedliche Zeitzonen und Sicherheitsaspekte die Zahl der tatsächlich grenzüberschreitenden Arbeitsplätze einschränken.
Wer die Suche nach Arbeitskräften jedoch nicht im Ausland, sondern innerhalb der eigenen Landesgrenzen durchführt, kann einige dieser Hindernisse aus dem Weg räumen und zugleich das Einstellungsnetz weiter ausdehnen.
Größere personelle Diversität. Ein weiterer potenzieller Vorteil des „Hybrid Hiring“ ist die größere Vielfalt in der Belegschaft. In meinem Blogbeitrag zur digitalen Qualifikationslücke habe ich bereits darauf hingewiesen, dass sie Unternehmen die Chance eröffnet, „eine vielfältigere, gleichberechtigtere und inklusivere Arbeitskräftebasis zu schaffen.“ Ich bin überzeugt davon, dass dies auch für „Hybrid Hiring“ gilt.
Wie aus dem Hays-Report hervorgeht, beeinträchtigt die Pandemie Frauen stärker als Männer. Dies ist vermutlich auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen – unter anderem darauf, dass Frauen häufiger in den am stärksten betroffenen Sektoren beschäftigt sind. Auch übernehmen sie im Allgemeinen eine wichtigere Rolle bei der Kinderbetreuung und der Pflege von Familienangehörigen. Das wiederum bedeutet, dass bei ihnen eine größere Wahrscheinlichkeit besteht, während der Krise aus dem Arbeitsmarkt auszuscheiden.
Dieser zusätzliche Druck hat dazu geführt, dass Frauen häufiger von Burnout betroffen sind als Männer. McKinsey schreibt dazu in einem Artikel: „Ein Drittel aller Frauen gibt an, in diesem Jahr einen beruflichen Rückschritt oder das völlige Ausscheiden aus dem Berufsleben in Erwägung gezogen zu haben. Wenige Monate nach Beginn der Pandemie sagte dies nur ein Viertel.“
Und es gibt noch weitere Personengruppen, die von einer hybriden Einstellungspraxis profitieren würden. Einem Bericht des Bureau of Labor Statistics aus dem Jahr 2021 zufolge sind in den USA über sechs Millionen Menschen in der ein oder anderen Form von einer Behinderung betroffen. In Großbritannien lag diese Zahl im zweiten Quartal 2021 bei 4,4 Millionen. Die Beschäftigungsquote für Menschen mit Behinderungen lag in diesem Zeitraum bei 52,7 Prozent, für nicht-behinderte Menschen bei 81 Prozent.
Zwar gibt es viele Faktoren, die zu diesem Missstand beitragen, doch „Hybrid Hiring“ bzw. hybride Arbeitsmodelle können dazu beitragen, das Problem zu lösen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das, was für die einen ein einfacher Weg ins Büro ist, für andere eine große Herausforderung darstellen kann. Ein hybrider Ansatz kann helfen, die Wettbewerbsbedingungen zu vereinheitlichen.
Hybride Arbeits- und Rekrutierungsmodelle nehmen einen Teil des Drucks von denjenigen, die pendeln oder sich um die Kinderbetreuung kümmern müssen. Zugleich sorgen sie für mehr Diversität im Unternehmen. Denn Vielfalt stärkt Unternehmen und Kulturen – und als Führungskräfte sollten wir Personengruppen aktiv unterstützen, die mit Hindernissen zu kämpfen haben, um in ihrer Karriere erfolgreich zu sein. Indem wir ihnen helfen, tragen wir dazu bei, eine bessere Arbeitswelt zu schaffen.
Worauf warten Sie?
Die Vorteile von „Hybrid Hiring“ liegen auf der Hand. Aber tun wir auch wirklich genug, um ein erfolgreiches Modell zu schaffen, das unsere Unternehmen und die Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessert?
Vieles deutet darauf hin, dass Unternehmen hybride Rekrutierungs- und Remote-Arbeitsmodelle nicht ganz ernst nehmen.
Eine Studie von McKinsey aus dem vergangenen Jahr
kam zu dem Ergebnis, dass zwar neun von zehn befragten Unternehmen Remote- und Büroarbeit kombinieren, aber 68 Prozent keine Details hinsichtlich ihrer hybriden Arbeitsstrategie nennen können. Diese Unternehmen laufen Gefahr, sich die oben genannten Vorteile entgehen zu lassen.Eines ist zu Beginn des neuen Jahres klar: Auch 2022 wird voller Herausforderungen stecken. Doch es sind Herausforderungen, die wir meistern können, wenn wir nicht in alte Gewohnheiten zurückfallen, sondern Mut zum Wandel zeigen. „Hybrid Hiring“ hat das Potenzial, die Zukunft der Arbeit zu verbessern.
Gerne würde ich von Ihnen hören, wie die Hybrid-Strategie Ihres Unternehmens aussieht. Haben Sie die Vorteile bereits erkannt, die die örtlich ungebundene Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sich bringt?